Ursachen
Blasenentzündung (Zystitis)

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Eine Zystitis (Blasenentzündung) wird meist durch eine aszendierende (aufsteigende) Infektion aus der Urethra (Harnröhre) hervorgerufen.
Dazu sammeln sich mit Hilfe sogenannter Adhäsine pathogene (krankmachende) Erreger auf den Urothelzellen (Übergangsepithel, welches Nierenkelche, Nierenbecken, Harnblase und beim Mann auch die obere Harnröhre auskleidet) an. Nach dieser Kolonisation Besiedlung) kommt es zu entzündlichen Prozessen mit Schädigung der Epithelzellen und der darunter liegenden Zellverbände. Dabei spielen Toxine (Gifte) eine Rolle, welche von den Bakterien gebildet werden, wie z. B. alpha-Hämolysin und CNF1 (zytotoxisch nekrotisierender Faktor) beim Bakterium E. coli. Weitere Toxine sind Endotoxin A, Proteasen oder Ureasen. Viele Erreger können sich gegen eine Immunantwort des Körpers wehren, beispielsweise durch Kapselbildung.

Häufigster Erreger ist das gramnegative Bakterium E. coli (Escherichia coli), welches ein Darmbakterium ist und ca. 75-80 % aller akuten Harnwegsinfektionen (HWI) verursacht.
Weitere mögliche Erreger sind:

  • Chlamydien – Chlamydia trachomatis
  • Enterokokken (am häufigsten bei Mischinfektion) – uropathogene Escherichia coli (UPEC) (ambulant erworbene HWI)
  • Enterobacter
  • Gardnerella vaginalis – indirekter Trigger für rezidivierende Harnwegsinfekte mit Escherichia-coli-Bakterien, die in der Harnblasenwand zurückgezogen ruhen und reaktiviert werden (Mausmodell) [2]
  • Klebsiellen (Klebsiella pneumoniae)
  • Mykoplasmen
  • Neisserien
    • Neisseria gonorrhoeae (Gonokokken)
    • N. meningitidis („US Nm urethritis clade“, kurz US_NmUC) [3]
  • Proteus mirabilis
  • Pseudomonas
  • Salmonellen (0,5 % aller HWI– Patient hat in solchen Fällen im Regelfall vorher eine Darminfektion gehabt
  • Staphylokokken (Staphylococcus saprophyticus)
  • Ureaplasmen
  • Mykosen (Pilze) – Candida und andere Pilzspezies
  • Viren – z. B. Herpes simplex, Adenoviren

Ebenso ist es möglich, dass eine Infektionen der Nieren sich auf die Harnblase ausbreitet, was als deszendierende (absteigende) Infektion bezeichnet wird. Dieses kann z. B. bei einer Pyelonephritis (Nierenbeckenentzündung) der Fall sein.

Ätiologie (Ursachen)

Biographische Ursachen

  • Genetische Veranlagung – Mütter von Patientinnen, die häufig an einer Harnwegsinfektion leiden, haben ebenfalls überdurchschnittlich oft eine Infektion. Offenbar spielt die Anzahl und die Art der Rezeptoren, an welchen Bakterien anhaften können, eine besondere Rolle
  • Angeborene anatomische Veränderungen im Bereich des Harntraktes oder Funktionseinschränkungen (z. B. durch vesikoureteralen Reflux, neuropathische Blase, mechanische oder funktionelle Obstruktion) können zu einer Stase, das heißt Verbleiben von Harn oder Restharn in der Harnblase führen, welches Entzündungen fördert.
  • Lebensalter 
    • Jugendliches Alter bei der ersten Harnwegsinfektion
    • Menopause/Postmenopause/Wechseljahre der Frau (wg. Änderung des pH-Wertes und verminderter Besiedelung durch Laktobazillen; dieses führt zu einer vermehrten Besiedelung der Scheide mit Enterobacteriaceae und Anaerobiern; Urogenitalatrophie wg. Östrogenmangel)
  • Hormonelle Faktoren
    • Schwangerschaft – das Risiko ist erhöht, etwa bei 2 bis 8 Prozent der Schwangeren findet sich eine Zystitis (Harnwegsinfektion)
    • Menopause/Postmenopause/Wechseljahre der Frau (s. u. Alter)

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Ernährung
    • Unzureichende Flüssigkeitsaufnahme – je besser die Harnblase „gespült“ wird, desto seltener ist sie entzündet
    • Mikronährstoffmangel (Vitalstoffe) – siehe Prävention mit Mikronährstoffen4]
  • Drogenkonsum
    • Ketamin – Ketaminmissbrauch (bis zu 30 g wöchentlich) führte zu einer ulzerativen Zystitis (Blasenentzündung mit Geschwürbildung mit starkem Harndrang, Schmerzen und Inkontinenz (Blasenschwäche) später sogar zu einer bilaterale Hydroureteronephrose (Erweiterung des Harnleiters und Nierenbeckenkelchsystems) sowie zu einer verschrumpelten Harnblase mit konsekutiver Niereninsuffizienz (Nierenschwäche) [4]
  • Psychosoziale Konfliktsituationen (Stress und dauernde Anspannung – verspannte Blasenwände erhöhen das Risiko aufgrund einer verminderten Schleimproduktion):
    • Mobbing
    • Seelische Konflikte
    • Soziale Isolation
    • Stress
  • Benutzung von Scheidendiaphragmen und Spermiziden – hierdurch wird die normale bakterielle vaginale Flora (Mikrobiota) verändert, sodass es zu einem Anstieg des Bakteriums E. coli (Escherichia coli) in der Vagina kommen kann, was mit einem erhöhten Risiko für eine Zystitis verbunden ist
  • Sexuelle Aktivität:
    • durch Koitus (Geschlechtsverkehr) können Bakterien in die Blase gelangen und eine Zystitis verursachen (= zeitnaher Geschlechtsverkehr). Eine Miktion (Wasserlassen) postkoital (nach dem Verkehr) kann das Risiko vermindern, da hierdurch eventuell vorhandene Bakterien wieder ausgespült werden. Weiterhin sollte der männliche Partner auf eine ausreichende Hygiene achten
    • nach den Flitterwochen durch häufigen Geschlechtsverkehr ("Honeymoon-Zystitis"); häufige Symptome dabei sind Algurie (Schmerzen beim Wasserlassen), Dysurie (erschwerte (schmerzhafte) Harnentleerung) und Pollakisurie (Drang zu häufigem Wasserlassen ohne vermehrte Harnausscheidung)
  • Analverkehr/Analsex bei Männern, die Sex mit Männern haben (engl. men who have sex with men (MSM)) ist mit einem erhöhten Risiko verbunden
  • Mangelnde Hygiene – aber auch übertriebene Hygiene
  • Tragen von feuchter Badebekleidung über längere Zeit, kalte Zugluft

Krankheitsbedingte Ursachen

  • Aszendierende (absteigende) Infektionen von den Nieren und oberen Harnwegen – z. B. bei Pyelonephritis (Nierenbeckenentzündung)
  • Diabetes mellitus
  • Harnabflussstörungen*, z. B.:
    • Obstruktion (Verschluss) bzw. anatomische Abnormität der ableitenden Harnwege
    • Benigne Prostatahyperplasie (BPH) – gutartige Vergrößerung der Prostata
    • Harnröhrenstriktur (Verengung der Harnröhre) – z. B. aufgrund von venerischen Krankheiten (Geschlechtskrankheiten) wie Syphilis (Lues) oder Gonorrhoe (Tripper) oder auch kongenital (angeboren)
    • Nephrolithiasis (Nierensteine), Urolithiasis (Harnsteine)
    • Neurogene Blasenentleerungsstörungen – z. B. bei Diabetes mellitus, Multipler Sklerose (MS), Tabes dorsalis
    • Vesikoureteraler Reflux (VUR; unphysiologischer Rückfluss von Harn aus der Blase über die Ureteren (Harnleiter) in das Nierenbecken) (Harnwegsinfektionen (HWI) im Kindesalter)
    • Schwangerschaft
  • HIV-Infektion
  • Immundefekt mit einhergehender Abwehrschwäche
  • Immundefizienz/Abwehrschwäche*
  • Niereninsuffizienz* (Nierenschwäche)
  • Restharn (> 180 ml) [1]
  • Tumoren der Nieren, beispielsweise Nierenzellkarzinom
  • Urolithiasis* (Harnsteine)
  • Vorangegangene Harnwegsinfekte
  • Zystennieren 

Medikamente

  • Analgetikaabusus (Missbrauch von Schmerzmitteln)
  • Immunkontrollpunkt-Inhibitoren –  Atezolizumab, Avelumab, Cemiplimab, Durvalumab, Ipilimumab, Pembrolizumab, Nivolumab → immunvermittelte Zystitis
  • Immunsupprimierte Patient(inn)en*
  • Kontrazeption (Empfängnisverhütung) mit DMPA (Depot-Medroxyprogesteronacetat)
  • 2 bis 4 Wochen zurückliegende Antibiotikatherapie
  • Zytostatika (z. B. Methotrexat)

Operationen

  • Eingriff im Bereich der Harnwege (v. a. nach transurethraler Resektion der Prostata/urologische Operationstechnik, bei der krankhaft verändertes Prostatagewebe ohne äußeren Schnitt durch die Urethra (Harnröhre) hindurch entfernt werden kann)
  • Instrumentelle urologische Eingriffe (z. B. Zystoskopie/Blasenspiegelung), welche mit einer Keimverschleppung verbunden sein können
  • Nierentransplantation* (NTx, NTPL) 

Röntgenstrahlen

  • Radiatio (Strahlentherapie) bei Tumorerkrankungen im Harntrakt oder Becken* – sogenannte „Strahlenzystitis“

Weitere Ursachen

  • Gebrauch von Diaphragma und Spermiziden
  • Mechanische Reize – Fremdkörper im Harntrakt* (Blasenverweilkatheter, suprapubischer Katheter/Blasenkatheter, der oberhalb des Schambeins durch die Bauchwand in die Harnblase eingeführt wird, Harnleiterschiene, Nephrostomie/Anlegung einer Nierenfistel zur Ableitung des Urins nach außen)
  • Stress und dauernde Anspannung – verspannte Blasenwände erhöhen das Risiko aufgrund einer verminderten Schleimproduktion
  • Zustand nach Entlassung aus einer stationären Einrichtung innerhalb der letzten zwei Wochen

*Risikofaktoren für die Entwicklung einer komplizierten Harnwegsinfektion

Autoren: Prof. Dr. med. G. Grospietsch, Dr. med. W. G. Gehring

Literatur

  1. Truzzi JC, Almeida FM, Nunes EC, Sadi MV: Residual urinary volume and urinary tract infection – when are they linked? J Urol. 2008 Jul;180(1):182-5. Epub 2008 May 21.
  2. Gibert NM et al.: Transient microbiota exposures activate dormant Escherichia coli infection in the bladder and drive severe outcomes of recurrent disease. Published: March 30, 2017 http://dx.doi.org/10.1371/journal.ppat.1006238
  3. Tzeng YL et al.: Emergence of a new Neisseria meningitidis clonal complex 11 lineage 11.2 clade as an effective urogenital pathogen. PNAS April 3, 2017 doi: 10.1073/pnas.1620971114 
  4. Lamers G et al.: Ketamine-induced uropathy: A diagnostic pitfall in an increasing healthcare issue in youngsters Urology Case Reports 2022;42 https://doi.org/10.1016/j.eucr.2022.102019
     
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