Leistungssport – Aminosäuren incl. BCAA

Bei besonders lang andauernden Belastungen werden die Kohlenhydratspeicher aufgebraucht und die Proteinreserven als Energiequelle herangezogen. Infolge längerer intensiver sportlicher Aktivitäten werden somit verstärkt Aminosäuren abgebaut. Insbesondere können Valin, Leucin, Isoleucin, Threonin, Methionin, Phenylalanin, Tryptophan und Lysin nicht vom Körper gebildet werden, was die Zufuhr über die Nahrung dringend notwendig macht.
Des Weiteren werden Arginin, Ornithin sowie Glutamin verstärkt verbrannt, da intensiver Leistungssport immer katabole Prozesse und hormonelle Veränderungen im Körper mit sich bringt [1].

Von besonderer Bedeutung sind BCAAs – verzweigtkettige Aminosäuren

BCAAs (branched chain amino acids) oder verzweigtkettige Aminosäuren, bestehen aus den drei Aminosäuren Leucin, Isoleucin und Valin, die der Gruppe der essentiellen Aminosäuren angehören. Essentiell bedeutet, dass der Körper sie nicht selbst herstellen kann, sondern auf eine Zufuhr durch die Nahrung angewiesen ist. Der Term ́verzweigtkettig beruht auf der besonderen chemischen Molekülstruktur der drei Aminosäuren, für die ein Ineinandergreifen der Methylgruppen charakteristisch ist.

Aus dieser Eigenschaft lässt sich ein erstes wichtiges Erfordernis für die Zufuhr ableiten: BCAA können ihre volle Wirkung nur entfalten, wenn die drei Aminosäuren Leucin, Isoleucin und Valin möglichst gleichzeitig mit der Nahrung aufgenommen werden.

Um die Bedeutung der verzweigtkettigen Aminosäuren im Sport verstehen zu können, ist es wichtig, die Eigenschaften des Muskelgewebes zu verstehen. Interessant wird es, wenn man dabei die in den Muskelzellen vorkommenden Aminosäuren genauer betrachtet. Die in der Skelettmuskulatur am stärksten vertretenen Aminosäuren sind Glutamin und Alanin, die in einem Mengenverhältnis von 10:1 vertreten sind. Wenn der Körper mit intensiver sportlicher Betätigung konfrontiert wird, kommt es zu folgender Situation: große Mengen Glutamin werden zu Alanin verstoffwechselt, welches von den Muskelzellen ins Blut abgegeben wird, um die Glykogenproduktion in der Leber zu steigern. Damit verbunden ist eine erhöhte Freisetzung von Ammoniak in der Leber, dessen Ausscheidung über die Nieren erfolgt. Im Endeffekt geht damit Glutamin dem Muskel verloren, sein Stickstoff wird letztlich über den Urin ausgeschieden, wodurch die Stickstoffbilanz negativ beeinflusst wird.

Wichtig ist, die während des Trainings verloren gegangenen Glutamindepots wieder aufzufüllen, um für die Muskelzelle einen katabolen, das heißt abbauenden Zustand, bei dem Muskelgewebe verstoffwechselt wird, zu verhindern. Andernfalls hätte dies die Konsequenz, dass der Sportler Muskelmasse und damit Kraft und Kraftausdauer einbüßen würde. Daher versuchen die Muskelzellen sowohl während als auch nach der körperlichen Belastung vor allem Glutamin aus anderen Aminosäuren herzustellen. Die drei BCAAs Leucin, Isoleucin und Valin bieten sich als Quellen für den Aufbau von Glutamin an.

Drei Möglichkeiten stehen dabei zur Auswahl:

  • Der Körper verstoffwechselt eigenes Muskelgewebe und gewinnt daraus BCAA, die immerhin 35 % aller im Muskel enthaltenen essentiellen Aminosäuren ausmachen
  • Der Körper nutzt für einen weiteren Proteinaufbau zunächst einmal weniger BCAA
  • Die Muskelzellen decken ihren erhöhten Bedarf über die im Blutkreislauf befindlichen, sogenannten freien BCAA, die noch nicht an Körperzellen gebunden sind

Die beiden ersten Möglichkeiten gehen auf Kosten des Muskelzuwachses oder Muskelerhalts. Sie gilt es zu vermeiden. Die einzig sinnvolle Strategie zeigt der dritte Weg, die Versorgung der Muskelzellen über den Blutkreislauf mit freien BCAA zu gewährleisten. Der Verzehr BCAA-reicher Supplemente kann einen hohen Plasmaspiegel an BCAAs gewährleisten.

Die BCAAs oder verzweigtkettigen Aminosäuren werden nach Verzehr und ihrer Aufnahme ins Blut – ganz im Gegensatz zu den übrigen Aminosäuren – nicht erst in der Leber, sondern direkt im Muskelgewebe verstoffwechselt. Sie können von den Muskelzellen also direkt und ohne Zeitverzug zur Bildung von verbrauchtem Glutamin herangezogen werden, weshalb der Körper nicht auf eigenes Muskelgewebe zurückgreifen muss.

Das bedeutet: Werden BCAAs zum richtigen Zeitpunkt aufgenommen beziehungsweise verzehrt, so besitzen sie die Fähigkeit, den Sportler vor einem Abbau von Muskelsubstanz zu schützen. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von einem antikatabolen Effekt der verzweigtkettigen Aminosäuren. Daher sollten BCAAs 60-90 Minuten nach dem Training eingenommen werden, da in diesem zeitlichen Abstand zur sportlichen Betätigung die Aminosäurenaufnahme in die Muskelzellen am effektivsten ist.

Um eine optimale Resorption, das heißt Anreicherung des Blutspiegels zu gewährleisten, empfiehlt sich die Kombination mit einer Mahlzeit. Dies führt zusätzlich zu einem Stimulus des Pankreas´ (Bauchspeicheldrüse) und damit zu einer vermehrten Insulinausschüttung, wodurch der Transport von Aminosäuren in die Muskelzellen noch verstärkt wird.

Untersuchungen über die Wirkungsweise von BCAAs beim Menschen zeigen auf, dass deren Verabreichung möglicherweise einen direkten anabolen Effekt nach sich zieht. Leucin, Isoleucin und Valin verfügen über das Potenzial, gewisse hormonelle Vorgänge zu beeinflussen, wobei insbesondere Leucin einige interessante Eigenschaften zu bieten hat. Eine wachsende Anzahl von Publikationen deuten darauf hin, dass Leucin den HGH-Serumspiegel (human growth hormone (HGH); somatotropes Hormon (STH); Wachstumshormon) erhöht und sowohl die Ausschüttung von Insulin als auch von Liothyronin (T3-Schilddrüsenhormon) steigert. Liothyronin besitzt eine anabole Wirkung, da es die Proteinbiosynthese (Neubildung von Proteinen) in den Muskeln positiv beeinflusst und darüber hinaus die Verbrennung von Kohlenhydraten und Fetten zu Energie aktiviert.

Weiterhin dienen BCAAs, allen voran Leucin, den Muskelzellen als Energiequelle. Während körperlicher Belastung wird L-Leucin direkt in der Muskulatur oxidiert. Die Oxidationsrate steigt proportional mit der Trainingsintensität, was zeigt, dass der Leucinbedarf der Muskelzellen von deren Energiebedarf abhängt. In Situationen, die durch abnehmende bzw. niedrige Glykogenvorräte der Muskelzellen gekennzeichnet sind, wie z. B. eine kalorienreduzierte und kohlenhydrateingeschränkte Diät oder das Ende einer kräftezehrenden Trainingseinheit, kann vor allem Leucin von den Muskelzellen schnell und problemlos als Energieträger herangezogen werden.

Hauptenergielieferanten des Körpers sind bekanntermaßen Kohlenhydrate und Fette. Wenn diese als Energielieferanten aufgebraucht sind und ein Energiedefizit besteht, kommt es zum Abfall des Glucose-Serumspiegels: der Körper stellt jetzt „notfallmäßig“ Glucose – durch die sogenannte Gluconeogenese (Gluconeogenese aus glucoplastischen Aminosäuren) – aus seinen körpereigenen Proteinen (Muskulatur) her und gewährleistet damit verschiedene Energiegrundbedürfnisse: Erythrozyten sind bspw. auf die Zufuhr von Glucose angewiesen, da ihre Energiegewinnung – ohne Mitochondrien – allein auf Glykolyse beruht.

In den Muskelzellen spielt die Gluconeogenese eine bedeutsame Rolle als Bestandteil des Glucose-Alanin-Zyklus, der für den Transport von Alanin [nach Transaminierung von Pyruvat zu Alanin] aus dem Muskel in die Leber, und für den Rücktransport von dort [nach Transaminierung von Alanin zu Pyruvat] durch Gluconeogenese gebildete Glucose in den Muskel, verantwortlich ist. Alanin ist die zentrale Aminosäure, wenn es darum geht, einen einigermaßen stabilen Glucose-Serumspiegel (Blutzuckerspiegel) während sportlicher Ausübungen zu gewährleisten. Mit anderen Worten: Bei einer schweren Trainingseinheit wird Alanin in der Leber zu Glucose umgewandelt, die der Muskulatur dann als Energie zugeführt werden kann.

Für den Sportler wird in diesem Zusammenhang durch die ausreichende Zufuhr von BCAAs vor allem gewährleistet, dass für diesen Zyklus immer ausreichend Aminogruppen für die Transaminierung von Pyruvat zu „seiner“ Transportform Alanin bereitstehen. Angenommen wird auch, dass die Verfügbarkeit von BCAAs im Muskel zu einer Steigerung des Lactat-Gehalts führen kann: Einerseits dient dies der direkten Energiegewinnung, andererseits soll sich so Lactat anreichern, das in der Leber über Pyruvat erneut der Gluconeogenese zugeführt werden kann.

In jedem Fall gilt es als wissenschaftlich gesichert, dass sich eine Steigerung der Ausdauerleistung von Sportlern nach Zufuhr von BCAAs feststellen lässt.

Die BCAAs-Verabreichung vor dem Training ist nicht ganz risikolos, da mit einer solchen Einnahmeprozedur die Harnstoffwerte ansteigen und den Körper belasten. Selbiges Problem tritt natürlich auch auf, wenn der Sportler sich die energieliefernde, ausdauerfördernde Wirkung der verzweigtkettigen Aminosäuren zunutze machen möchte. Vor allem Ausdauersportler, z. B. Marathonläufer, nehmen kurz vor dem Rennen gerne BCAAs, um „hinten heraus“ mehr Energie zu haben. Damit aus der vermehrten Harnstoffbelastung keine gesundheitlichen Risiken entstehen, sollte die Anwendung vor dem Training nur kurzfristig oder unregelmäßig erfolgen.
Wer sich gut ernährt und regelmäßig verzweigtkettige Aminosäuren einnimmt, der wird langfristig im Sport, egal ob Ausdauer und/oder Kraftbelastungen bessere Fortschritte machen als ohne BCAAs. Athleten, die auf einer kalorienreduzierten Diät sind, sollten BCAAs in jedem Fall einmal ausprobieren, da sie mit ihrer antikatabolen Wirkung helfen können, wertvolle Muskelmasse zu konservieren. Gleiches gilt für Ausdauersportler, die von den Energie liefernden Eigenschaften der verzweigtkettigen Aminosäuren erwiesenermaßen profitieren, wenn diese circa 30 Minuten vor dem Training/Wettkampf verabreicht werden.

Die Frage nach der zur Leistungssteigerung effektivsten Dosierung bei Leucin, Isoleucin und Valin ist schwierig zu beantworten. Fakt ist, je intensiver das Training, je häufiger und länger man trainiert, je besser man trainiert bzw. konditioniert ist und je höher das Körpergewicht, desto größer der Bedarf an BCAAs.

Der geschätzte tägliche Bedarf an verzweigtkettigen Aminosäuren liegt bei hart trainierenden Sportlern bei:

  • Leucin im Bereich von 5-6 Gramm/Tag
  • Isoleucin bei etwa 2 Gramm/Tag
  • Valin zwischen 4-5 Gramm/Tag liegen.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang das Wort ́Tagesbedarf́, das heißt, die Dosierungsangaben schließen auch die BCAAs-Zufuhr mit der täglichen Nahrung ein und müssen deshalb nicht ausschließlich mit Aminosäurentabletten gedeckt werden.

Für den Leistungssportler ist dabei nicht nur die Wahl der Aminosäure, sondern zusätzlich die Bereitstel­lung einer genügenden Menge von Bedeutung, da im Regelfall immer ein Protein-Mehrbedarf be­steht [2].

  Mehrbedarf an Proteinen gegenüber Nicht-Leistungssportlern [3] Proteinzufuhr in g pro kg Körpergewicht pro Tag [4]
Kraftsportler (Muskelerhalt)
bis zu 20 %
1,0 g
Ausdauersportler bis zu 60-70 % 1,2-1,4 g

Ein Kraftsportler, der einen Muskelzuwachs anstrebt, hat einen täglichen Proteinbedarf von 1,4-1,6 g pro kg Körpergewicht [4].

Leistungssport fordert jedoch nicht allein den Muskelstoffwechsel, sondern alle antioxidativen, stoffwechselaktiven oder stoffwechselharmonisierenden Prozesse. Sportliche Erschöpfung ist häufig mit einer erhöhten Infektanfälligkeit verbunden, was auf eine Erschöpfung des Immunsystems hinweist. Gerade Leistungssportler weisen häufig Defizite in der Versorgung mit allgemeinen Vitalstoffen (Makro- und Mikronährstoffen) auf.

Daher sollte für den Sportler neben der ausgewogenen Versorgung mit hochwertigem Protein ebenfalls eine Supplementierung mit Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen gewährleistet sein.

Empfehlenswert bei Ausdauer- und Kraftsport ist die Zufuhr eines diätetischen Lebensmittel für intensive Muskelanstrengungen.

Lassen Sie sich zum Ausdauer- und Krafttraining einen
individuellen Fitnessplan (z. B. auf der Grundlage eines Sportlerchecks) von Ihrem Arzt erstellen.

Literatur

  1. Biesalski HK, Fürst P, Kasper H, Kluthe R, Pölert W, Puchstein Ch, Stähelin HB: Ernährungsmedizin. Kapitel 18, 231-237. Georg Thieme Verlag, Stuttgart 1999
  2. Tarnopolsky MA: Protein and physical performance. Current Opinion in Clin. Nutr. and Metabolic Care, 2: 533-537, 1999
  3. Schauder P, Ollenschläger G: Ernährungsmedizin. Prävention und Therapie. 3. Auflage. Urban & Fischer München/Jena 2006
  4. Biesalski HK, Bischoff SC, Puchstein C: Ernährungsmedizin. Nach dem Curriculum Ernährungsmedizin der Bundesärztekammer. 4. Auflage. Georg Thieme Verlag Stuttgart 2010
     
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