Kalorienbeschränkung

Die sogenannte Kalorienbeschränkung oder auch Kalorienrestriktion (engl. Calorie restriction) bedeutet eine Reduzierung der Energieaufnahme über die Nahrung, um auf diese Weise einen gesundheitsfördernden und lebensverlängernden Effekt zu erzielen.

Bei Menschen ist eine Kalorienbeschränkung in der Lage, das LDL-Cholesterin, die Triglyceride, die Nüchternglucose (Nüchternblutzucker) und den Blutdruck zu senken sowie das HDL-Cholesterin und die Insulinsensibilität zu verbessern. Weitere Studien – siehe weiter unten – haben gezeigt, dass sich durch eine Kalorienbeschränkung auch eine Verminderung von DNA-Schäden, eine Senkung des Insulin- und T3-Schilddrüsenhormonspiegels, eine Senkung der Körpertemperatur sowie eine Verminderung des Tumor-Nekrose-Faktors-Alpha (TNF-α) erzielen lässt.

Eine Ursache für die geringere Ansammlung von
Oxidationsprodukten ist vor allem die geringere Radikalbildungsrate, die durch einen geringeren Stoffwechsel und einen niedrigeren Sauerstoffverbrauch bedingt ist.

Weiterhin lässt sich z. B. durch eine 12- bis 14-stündige Nahrungskarenz (Entbehrung von Nahrung) eine verstärkte Apoptose (programmierter Zelltod) von prämalignen Präkursorzellen (bösartige Vorläuferzellen) sowie eine gesteigerte Autophagie (s. u.) erreichen. Der Start des programmierten Zelltods ist das Entlassen des Proteins Cytochrom c aus den Mitochondrien in das Zellinnere. Dafür wird die sonst dichte Membran der Mitochondrien durchlässig. Nach diesem Schritt ist die Apoptoseeinleitung irreversibel (unumkehrbar) und die Zelle wird abgebaut.

Die Autophagie dient der zellulären Qualitätskontrolle („Recyclingprogramm“). So werden z. B. fehlgefaltete Proteine oder geschädigte Zellorganellen, die die Funktionalität einer Zelle beeinträchtigen könnten, eliminiert und selbstverdaut (Autophagie = „Selbstessen“). Dieser Prozess findet intrazellulär statt. Ein Mangel an Energie oder Nährstoffen (Aminosäuren), führt zu einer Stimulierung bzw. Steigerung der Autophagie. Eine Studie fand heraus, dass auch ein Kohlenhydratmangel die Autophagie verstärkt. Sowohl ein Energie- als auch ein Kohlenhydratmangel initiieren das Senden eines Signals über das sogenannte WIPI4-Protein (WIPI: WD-repeat protein interacting with phosphoinositides). Dieses reguliert das Ausmaß der Abbauprozesse durch Autophagie. Bislang weiß man von vier WIPI-Proteinen (WIPI1-4), die an der Regulation der Autophagie beteiligt sind. Eine fehlregulierte oder verminderte Autophagie liegt bei vielen altersbedingten Erkrankungen wie Diabetes mellitus Typ 2, Tumorerkrankungen oder neurodegenerativen Erkrankungen vor [4].

Die Kalorienrestriktion geht zudem mit einer Verringerung der Mitosegeschwindigkeit und mit einer verstärkten Reparatur der DNA einher.

Durch Kalorienrestriktion wechselt das Coenzym NAD (Nicotinsäureamid-Adenin-Dinucleotid) seine Funktion – aus einem Verdauungsenzym NADPH (Nicotinsäureamid-Adenosin-Dinucleotid-Phosphat) wird ein Coenzym der DNA-Reparatur!
Dazu docken das nicht reduzierte NAD mit dem sogenannten Sir2 (Silent information Regulator/Gene-Silencing) an der DNA an und bewirken dort eine Veränderung des genetischen Codes (DNA-Reparatur).

Achtung!
Während der Nahrungskarenz darf kein Alkohol getrunken werden, da beim Alkoholabbau aus dem wertvollen NAD das NADH wird!
NAD fungiert dabei als Wasserstoffüberträger. Im Zusammenspiel mit dem Enzym ADH (Alkoholdehydrogenase) bewirkt NAD in der Leber den Alkoholabbau, indem Alkohol zu Acetaldehyd oxidiert wird. Das beim Alkoholabbau gebildete NADH muss durch andere Stoffwechselprozesse wieder zum NAD zurückgebildet werden.

Viele dieser oben genannten Faktoren stellen Biomarker des Alterns dar – es besteht ein direkter Zusammenhang zwischen diesen Biomarkern und dem Risiko, eine Alterserkrankung zu bekommen. Alterserkrankungen sind z. B. Diabetes mellitus, Adipositas, Atherosklerose (Arteriosklerose, Arterienverkalkung) oder auch das sogenannte Metabolische Syndrom.

Bei vielen Tierarten zeigte sich durch Kalorienbeschränkung eine Zunahme der maximalen Lebensdauer, z. B. bei Primaten, Ratten, Mäusen, Spinnen und beim Fadenwurm C. elegans. Es ließ sich eine Verlängerung der Lebenserwartung um 30-50 Prozent erreichen. Weiterhin ließ sich das Auftreten von Malignomen reduzieren.

Die Kalorienbeschränkung ist bis heute die einzige speziesübergreifende Methode, sowohl die durchschnittliche als auch die maximale Lebensspanne zu verlängern! Dabei muss die Energiezufuhr minimiert werden, jedoch darauf geachtet werden, dass eine ausreichende Versorgung mit Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen und weiteren wichtigen Vitalstoffen gewährleistet ist.

Der Unterschied zwischen Kalorienbeschränkung und Nahrungseinschränkung ist daher darin zu sehen, dass es sich bei der Kalorienbeschränkung um eine Form der Diät handelt, welche reich an Vitalstoffen ist, während bei der Nahrungseinschränkung lediglich die Gesamtmenge der Nahrung reduziert wird, ohne auf eine optimale Vitalstoffzufuhr zu achten – wie es z. B. bei der bekannten FDH-Diät der Fall ist – „Verzehr“ die Hälfte.

Studienergebnisse

Dr. Eric Ravussin von der Louisiana State University in Baton Rouge nahm 48 gesunde übergewichtige, aber nicht fettleibige Männer und Frauen in seinen Sechs-Monats-Versuch zum Beurteilen der Effekte einer Kalorienreduktion auf [1]. Die Probanden wurden einer von vier Gruppen zugeteilt: 1. einer Kontrollgruppe, die einer normalen Ernährung folgte, 2. einer kalorien-eingeschränkten Gruppe, die 25 Prozent weniger Kalorien erhielt als täglich benötigt, 3. einer Gruppe, die sich bewegte und weniger Kalorien aufnahm und 4. einer Gruppe, die eine sehr kalorienbeschränkte Diät einhielt, die mit 890 kcal pro Tag begann und dann sich steigerte, um eine Gewichtsreduktion von 15 Prozent zu erreichen.
Im Vergleich zur Kontrollgruppe, die innerhalb von sechs Monaten rund ein Prozent ihres Gewichtes verloren hatte, lagen die beiden kalorienreduzierten Gruppen (mit oder ohne Training) bei etwa zehn Prozent Gewichtsverlust. Die Probanden der kalorisch sehr niedrigen Gruppe verloren sogar fast 14 Prozent ihres Gewichts. Die Forscher beobachteten nach dem Fasten auch geringere Blut-Insulinspiegel sowie eine niedrigere Körpertemperatur bei allen Probanden, die sich Kalorienbeschränkung unterzogen. Weiterhin gab es bei Patienten mit geringerer Kalorienzufuhr weniger DNA-Schäden.

Den Ergebnissen einer Studie zufolge, die in der Mai-Ausgabe 2006 des „Journal of Clinical Endocrinology and Metabolism“ publiziert wurde, kann eine Kalorienbeschränkung effektiver als körperliche Betätigung die Faktoren beeinflussen, die mit einer längeren Lebensdauer assoziiert sind [2]. Die Studie widerlegt jedoch nicht die vielen positiven Effekte, die körperliche Bewegung auf die Gesundheit und die Prävention von Krankheiten hat. Für die Studie verglichen Forscher der Washington University School of Medicine, unter der Leitung von Prof. Luigi Fontana, 28 Mitglieder der „Calorie Restriction Society“ – deren durchschnittliche Kalorienzufuhr der letzten sechs Jahre bei circa 1.800 kcal lag – mit 28 Personen überwiegend sitzender Lebensweise und 28 Ausdauersportlern, welche eine westliche Mischkost mit ungefähr 2.700 kcal pro Tag verzehrten. Es zeigte sich, dass das Körperfett zwischen der kalorien-eingeschränkten und der Ausdauersport-Gruppe vergleichbare Werte aufwies und niedriger war als das der Gruppe mit überwiegend sitzender Lebensweise.
Im Vergleich zu den anderen beiden Gruppen zeigte die Gruppe mit einer Kalorienrestriktion einen niedrigeren Wert für das Schilddrüsenhormon Trijodthyronin (T3) – welches den Energiehaushalt und den Zellstoffwechsel beeinflusst. Das Schilddrüsenhormon Thyroxin (T4) und das TSH (Thyreoidea-stimulierendes-Hormon) dagegen blieben normal. 
Das zeigt, dass die kalorienbeschränkte Gruppe keine Unterfunktion der Schilddrüse aufwies. Zusätzlich zeigte die kalorienbeschränkte Gruppe einen niedrigeren Blutspiegel des Tumornekrosefaktors Alpha. TNF-α ist ein zentraler Mediator der systemischen Entzündungs- und Immunreaktion mit Wirkung auf eine Vielzahl von Zielzellen (Granulozyten, Endothelzellen, Hepatozyten, Hypothalamus, Fett- u. Muskelzellen, Monozyten/Makrophagen).
Geringere Konzentrationen an TNF-α dienen der physiologischen Abwehr von Infektionen – zum Beispiel durch Bakterien oder Viren. Die Kombination eines reduzierten T3- und TNF-α-Spiegels vermag möglicherweise den Alterungsprozess zu verlangsamen – durch die Mechanismen einer gesenkten Stoffwechselaktivität und einer Verminderung des oxidativen Schadens.

Ein Bericht der Juli-Ausgabe 2006 des „Journal of Biological Chemistry“ gibt weitere Hinweise darauf, dass eine Kalorienrestriktion zur Prävention (Vorbeugung) der Alzheimer-Krankheit eingesetzt werden kann [3].
Prof. Giulio Maria Pasinetti, Direktor des „Mt. Sinai School of Medicine's Neuroinflammation Research Center“ und seine Kollegen verabreichten Ratten eine kalorien- und kohlenhydrat-beschränkte Diät und beobachteten eine Reduktion der sogenannten Amyloid-Beta-Peptide, welche zu einer Bildung von Plaques im Gehirn von Alzheimer-Patienten führen. Die Ratten, die eine hochkalorische und fettreiche Diät bekamen, entwickelten im Gegensatz eine Zunahme dieser Peptide. Zudem nahm bei den kalorienbeschränkten Ratten der Gehirn-Spiegel des sogenannten SIRT1 zu, ein Mitglied der Proteinfamilie der Sirtuine, welche mit Langlebigkeit (Longevity) in Verbindung gebracht werden. SIRT1 vermag möglicherweise ein Enzym Alpha-Sekretase zu aktivieren, welches die Produktion von Amyloid-Beta-Peptiden inhibiert.

Eine Studie des US-National Institutes of Health hat über zwei Jahre untersucht, wie gesunde Menschen (21-50 Jahre alt; Body-Mass-Index von 22 bis 28 kg/m2) auf eine Restriktionsdiät von 300 Kilokalorien pro Tag reagieren. Im Ergebnis verloren die Teil­nehmer über zwei Jahre nicht nur im Mittel 7,5 kg an Gewicht (davon 5,3 kg Fettgewebe), sondern auch sämtliche kardiometabolischen Stoffwechselparameter verbesserten sich. Zu den gemessenen Laborparametern gehörten HDL-Cholesterin und LDL-Cholesterin, Triglyceride, Insulinsen­sitivität und Nüchternglucose sowie das C-reaktive Protein (CRP) [5].

Zum Thema Kalorienrestriktion siehe auch "Intervallfasten (intermittierendes Fasten)".

Literatur

  1. Heilbronn LK, de Jonge L, Frisard MI, DeLany JP, Larson-Meyer DE, Rood J, Nguyen T, Martin CK, Volaufova J, Most MM, Greenway FL, Smith SR, Deutsch WA, Williamson DA, Ravussin E, Pennington CALERIE Team: Effect of 6-month calorie restriction on biomarkers of longevity, metabolic adaptation, and oxidative stress in overweight individuals: a randomized controlled trial. JAMA. 2006 Apr 5;295(13):1539-48. 
  2. Fontana L, Klein S, Holloszy JO, Premachandra BN: Effect of Long-term Calorie Restriction with Adequate Protein and Micronutrients on Thyroid Hormones. J Clin Endocrinol Metab. 2006 Aug;91(8):3232-5
  3. Qin W, Yang T, Ho L, Zhao Z, Wang J, Chen L, Thiyagarajan M, Macgrogan D, Rodgers JT, Puigserver P, Sadoshima J, Deng H H, Pedrini S, Gandy S, Sauve A, Pasinetti GM: Neuronal SIRT1 activation as a novel mechanism underlying the prevention of Alzheimer's disease amyloid neuropathology by calorie restriction. J Biol Chem. 2006 Aug 4;281(31):21745-54
  4. Bakula D, Müller AJ, Zuleger T, Takacs Z, Franz-Wachtel M, Thost AK, Brigger D, Tschan MP, Frickey T, Robenek H, Macek B, Proikas-Cezanne T: WIPI3 and WIPI4 β-propellers are scaffolds for LKB1-AMPK-TSC signalling circuits in the control of autophagy. Nat Commun. 2017 May 31;8:15637. doi: 10.1038/ncomms15637
  5. Kraus E et al.: 2 years of calorie restriction and cardiometabolic risk (CALERIE): exploratory outcomes of a multicentre, phase 2, randomised controlled trial Lancet Diabetes & Endocrinology Published:July 11, 2019 doi:https://doi.org/10.1016/S2213-8587(19)30151-2
     
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