Hodenszintigraphie

Bei der Hodenszintigraphie handelt es sich um ein diagnostisches Verfahren der Nuklearmedizin, welches unter anderem zur Beurteilung eines akuten Skrotums (Krankheitsbild, das mit einem akut oder schubweise einsetzenden Schmerz im Hodensack (Skrotum) und einer Schwellung des Skrotums einhergeht; urologischer Notfall) eingesetzt werden kann.

Das akute Skrotum stellt einen plötzlich auftretenden Schmerz im Hoden dar, der verschiedene Ursachen haben kann. Der häufigste Grund für die Durchführung einer Hodenszintigraphie und für das Auftreten des akuten Skrotums ist die Hodentorsion (Stieldrehung von Hoden und Nebenhoden), bei der eine plötzliche Stieldrehung von Hoden und Nebenhoden zu einer vollständigen oder unvollständigen Unterbrechung der Blutversorgung führt. Infolge dieser Stieldrehung tritt häufig eine hämorrhagische Infarzierung (Blutung beim Untergang von Gewebe) auf.

Beurteilbare Strukturen

  • Hodengewebe: Bewertung der Durchblutung und Erkennung von Durchblutungsstörungen.
  • Nebenhoden: Beurteilung der Entzündungszeichen oder anderer pathologischer Veränderungen.
  • Blutgefäße des Skrotums: Identifikation von Anomalien wie Torsion (Verdrehung) oder Thrombose.

Indikationen (Anwendungsgebiete)

  • Hodentorsion − im Rahmen einer Hodentorsion ist ein plötzlich einsetzender starker Schmerz im betroffenen Hoden typisch. Dieser strahlt zumeist in die Leiste und in die Nierenregion aus. Weitaus häufiger als eine sportliche Betätigung oder ein Unfall wird jedoch eine spontane Torsion im Schlaf als Ursache genannt. Beim Auftreten dieser Schmerzen in der Region ist die Hodenszintigraphie als Verfahren zum Nachweis beziehungsweise zur Abgrenzung von Differentialdiagnosen (dem Krankheitsbild ähnlichen Krankheiten − siehe unten) in Verbindung mit weiteren diagnostischen Verfahren angezeigt. Beweisend für eine Hodentorsion ist jedoch nur eine invasive Freilegung des Hodens.
  • Torsion des Mesorchiums (Hodengekröse (Mesorchium), welches der Befestigung des Hodens im Hodensack dient) − bei diesem Prozess dreht sich der Hoden gegen den Nebenhoden, sodass in der Folge eine schmerzhafte Minderperfusion (Minderdurchblutung) entsteht. 
  • Hydatidentorsion (Torsion von Hoden- bzw. Nebenhodenanhangsgebilden) − dieser pathologische (krankhafte) Prozess stellt eine Drehung von verbliebenen Geweberesten der Embryonalentwicklung dar, die zur Ischämie (Sauerstoffunterversorgung) der Hydatide führt. In der Regel sind Kinder betroffen. Aufgrund der klinischen Ähnlichkeit der Hydatidentorsion zur Hodentorsion ist eine präzise diagnostische Abgrenzung notwendig.
  • Epididymitis (Nebenhodenentzündung) − auch eine Entzündung des Nebenhodens kann zum klinischen Bild eines akuten Skrotums führen und muss diagnostisch von einer Hodentorsion abgegrenzt werden. Da die Erkrankung im Kindesalter hochgradig selten ist, muss auch nach der Diagnosestellung an die Möglichkeit gedacht werden, dass es sich um eine Hodentorsion handeln könnte. Somit muss bei Verdacht auf eine Epididymitis neben einer Szintigraphie auch eine Freilegung des Hodens erfolgen.
  • Ischämien (Minderdurchblutung) bei Systemerkrankungen − beim Vorliegen einer Systemerkrankung wie zum Beispiel einer Sichelzellenanämie (med.: Drepanozytose; auch Sichelzellanämie, engl: sickle cell anemia) – genetische Erkrankung der Erythrozyten (rote Blutkörperchen); sie gehört zur Gruppe der Hämoglobinopathien (Störungen des Hämoglobins; Bildung eines irregulären Hämoglobins, dem sogenannten Sichelzellhämoglobin, HbS) kann es zu Ischämien (Minderdurchblutung) des Hodens kommen. Auch eine Thrombose (venöser Verschluss) kann eine Ischämie bedingen.
  • Hodeninfarkt − eine komplette Unterversorgung des Hodens (nach Kompression oder durch Thrombose) ist ebenfalls mit der Hodenszintigraphie nachweisbar.
  • Einblutung bei Hodentumor
  • Hodentrauma (beim Neugeborenen auch Geburtstrauma; Verletzung)

Kontraindikationen (Gegenanzeigen)

Absolute Kontraindikationen

  • Überempfindlichkeit gegenüber dem verwendeten Radiopharmakon: Patienten mit bekannter Allergie gegen das spezifische Radiopharmakon, wie z. B. 99mTechnetium-DTPA, sollten nicht mit dieser Substanz untersucht werden.

Relative Kontraindikationen

  • Kürzliche Strahlenexposition: Patienten, die kürzlich einer erheblichen Strahlenexposition ausgesetzt waren, sollten aufgrund des kumulativen Risikos einer Strahlenbelastung nur nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung untersucht werden.
  • Schwere Niereninsuffizienz: Da das Radiopharmakon über die Nieren ausgeschieden wird, kann eine eingeschränkte Nierenfunktion zu einer verlängerten Verweildauer des Radiopharmakons im Körper führen und somit das Strahlenrisiko erhöhen.

Vorsichtsmaßnahmen

  • Anomalien der Blasenentleerung: Patienten mit Schwierigkeiten bei der Blasenentleerung sollten vor der Untersuchung beraten werden, da eine verzögerte Ausscheidung des Radiopharmakons die Strahlenbelastung erhöhen kann.

Vor der Untersuchung

  • Klinische Untersuchung bei einer Hodentorsion können typische klinische Zeichen wie das Brunzel-Zeichen auftreten. Beim Brunzel-Zeichen handelt es sich um einen fixierten, schmerzhaften und horizontalen Hochstand des betroffenen Hodens beim Vorliegen einer Hodentorsion. Auch starke Schmerzen sind typisch bei einer Hodentorsion.
  • Durchführung weiterer diagnostischer Verfahren vor der Durchführung der Hodenszintigraphie ist es notwendig, dass nicht strahlungsbelastende Verfahren wie die Sonographie zur Diagnostik eingesetzt werden.
  • Aufklärung und Vorbereitung – Patienten müssen über das Verfahren und mögliche Risiken aufgeklärt werden. Zudem sollte eine Ruhephase vor der Injektion des Radiopharmakons eingeplant werden, um Stressfaktoren, die die Blutperfusion beeinflussen könnten, zu minimieren.
  • Applikation des Radiopharmakons – Für die Durchführung der Hodenszintigraphie wird das radioaktive 99mTechnetium-DTPA als Radiopharmakon eingesetzt. Die Applikation des Radiopharmakons erfolgt intravenös. Bei Erwachsenen wird eine Radioaktivitätsmenge von 400 MBq (Millibecquerel) eingesetzt. Bei der Applikation sollte sich der Patient in Rückenlage befinden, wobei eine Fixation des Penis erfolgt.

Das Verfahren

Bei der Hodenszintigraphie handelt es sich um eine Kombination aus einer statischen und dynamischen Szintigraphie. Somit ist eine Beurteilung der arteriellen Perfusion des Hodens und gleichzeitig eine Darstellung des Blutpools möglich. Im Gegensatz zu anderen szintigraphischen Verfahren erfolgt die Beurteilung ausschließlich visuell.

In der überwiegenden Zahl der Studien konnte gezeigt werden, dass sich das Verfahren als wertvolles Diagnostikum besonders bei der Unterscheidung einer Hodentorsion und einem Entzündungsprozess erweist. Aufgrund der fehlenden Strahlenbelastung ist die Sonographie jedoch häufig primär indiziert.

Mögliche Befunde

  • Normal: Keine Durchblutungsstörungen, gleichmäßige Verteilung des Radiopharmakons.
  • Hodentorsion: Reduzierte oder fehlende Perfusion in einem Hoden, was auf eine Unterbrechung der Blutzufuhr hinweist.
  • Epididymitis: Erhöhte Perfusion im Bereich des Nebenhodens, was auf eine Entzündung hindeutet.
  • Hodentumor: Abnormale Anreicherung des Radiopharmakons, die auf neoplastische Prozesse (Neubildungen) hinweisen könnte.

Nach der Untersuchung

  • Hydratation: Förderung der Ausscheidung des Radiopharmakons durch erhöhte Flüssigkeitszufuhr.
  • Beobachtung: Überwachung auf mögliche sofortige Reaktionen nach der Applikation des Radiopharmakons.

Mögliche Komplikationen

Bei der intravenösen Applikation des Radiopharmakons kann es zu lokalen Gefäß- und Nervenläsionen (Verletzungen) kommen. Die Strahlenbelastung durch das verwendete Radionuklid ist eher, als gering einzustufen. Trotzdem ist das theoretische Risiko eines strahleninduzierten Spätmalignoms (Leukämie oder Karzinom) erhöht, sodass eine Nutzen-Risiko-Abwägung erfolgen sollte.

Durch eine reduzierte Blasenentleerung kann die Strahlenexposition deutlich höher sein als im Normalfall. Aufgrund dessen sollte insbesondere in der Anamnese auf Anomalien der Blasenentleerung eingegangen werden.

Literatur

  1. Tiling R: Hodenszintigraphie. Der Nuklearmediziner. 2009. 32:64-66
  2. Hallscheidt P: Urogenitale Bildgebung. Springer Verlag 2010
  3. Meudt S, Kälble T: Diagnostik und Therapie des akuten Skrotums. Urologe. 2001. 41:550-553
  4. Steffens J: Häufige urologische Erkrankungen im Kindesalter. Steinkopff Verlag 2000
  5. Romics I, Wesseler T, Bach D: Die Bedeutung der Hodenszintigraphie in der Differentialdiagnostik des „akuten Skrotums". Akt Urol. 1990. 21:273-276. doi: 10.1055/s-2008-1060643
  6. Schmelz H: Facharztwissen Urologie. Springer Verlag 2010

     
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