Erythrozytenmorphologie per Phasenkontrastmikroskopie

Bei der Phasenkontrastmikroskopie handelt es sich um diagnostisches Verfahren der Urologie und Nephrologie (Lehre von den Nieren) zur Untersuchung und Beurteilung zytomorphologischer Vitalpräparate (Präparat mit lebenden Zellen) in der Hämaturie- und Harnsedimentdiagnostik. Die herausragende Bedeutung dieses Verfahrens beruht insbesondere auf der für die Diagnostik relevante Möglichkeit, eine Beurteilung der Erythrozytenmorphologie (Gestalt der roten Blutkörperchen) vornehmen zu können, welches wertvolle Informationen über den Ursprung einer möglichen Hämaturie (Blut im Urin) beziehungsweise Erythrozyturie (rote Blutkörperchen im Urin) liefern kann. Zur Evaluierung diverser Erythrozytenformen bietet sich die Phasenkontrastmikroskopie des Harnsediments (Urinsediment) optimal an.

Die Einführung der Phasenkontrastmikroskopie in die Routinediagnostik ist als großer Fortschritt zu werten, da durch sie pathognomonische Urinbestandteile einfacher von nicht pathologischen Artefakten zu unterscheiden sind. Die Phasenkontrastmikroskopie ist bezüglich der Abgrenzung von Artefakten der bis zur Einführung der Phasenkontrastmikroskopie genutzten Hellfeldmikroskopie überlegen. Sollte ein unklarer oder nicht eindeutiger Befund vorliegen, so kann eine Inanspruchnahme dieses Verfahrens weniger sinnvolle Maßnahmen wie beispielsweise eine radiologische oder zystoskopische Diagnostik (Blasenspiegelung) bei glomerulärer Hämaturie (siehe unten) ersparen und so zu einer Kostenreduzierung und einer Behandlungszeitersparnis führen. 

Indikationen (Anwendungsgebiete)

Die Phasenkontrastmikroskopie dient in der Urologie und Nephrologie zur Untersuchung der Erythrozytenmorphologie:

  • Beurteilung zytomorphologischer Vitalpräparate in der Hämaturie- und Harnsedimentdiagnostik.
    Indikation: > 6-8 Erythrozyten/l im Urin nachweisbar bzw. positiver Streifentest.
    Im Rahmen der Erythrozytenmorphologie erfolgt die Differenzierung einer glomerulären Hämaturie von einer nicht renalen Erythrozyturie durch den Nachweis von dysmorphen (glomerulären) und eumorphen Erythrozyten.
  • Eine dysmorphe Hämaturie glomerulären Ursprungs findet sich bei Patienten mit membranöser und membranoproliferativer Glomerulonephritis, sowie bei einer IgA-Nephropathie, fokalen und segmentalen Nephrosklerose und einer Lupus-Nephritis. Bei der glomerulären Hämaturie werden Erythrozyten durch geschädigte Basalmembranen der Glomerularkapillaren gepresst und dadurch beschädigt. Mikroskopisch erkennt man dysmorphe Erythrozyten, die auch als Akanthozyten (= Erythrozyten mit "Mickey-Mouse-Ohren") bezeichnet werden.
  • Eine eumorphe Hämaturie (postglomeruläre Hämaturie) findet sich bei Patienten mit Nierenzysten bei Ruptur in das Hohlsystem, Blasenbilharziose, Blutbeimengungen aus der Vagina (Scheide), Verletzungen nach Legen eines Blasenkatheters, Störungen der Blutgerinnung etc.

Das Verfahren

Das Prinzip der Phasenkontrastmikroskopie beruht auf der Beeinflussung der Lichtstrahlen in dem Strahlengang des Mikroskops, wodurch eine kontrastreiche Darstellung ungefärbter Zellen erreicht werden kann.

Aufbau und Funktion des Phasenkontrastmikroskops:

  • Für die Funktion des Phasenkontrastmikroskops sind insbesondere die ringförmige Blende, der Kondensator, die ringförmige Phasenplatte und das Objektiv von wichtiger Bedeutung. Durch den Einschub der ringförmigen Blende in den Kondensator und der Phasenplatte in das Objektiv wird eine Trennung von nicht gebeugten und gebeugten Lichtstrahlen hervorgerufen. Die so erzeugte Verzögerung der Wellenlänge der gebeugten Lichtstrahlen ruft eine Phasendifferenz hervor, die optisch die strukturellen Details des zu untersuchenden mikroskopischen Objektes dunkler als das Umgebungsmedium erscheinen lassen. Physikalisch betrachtet wird durch die Phasenplättchen eine Umwandlung der Phasen- beziehungsweise Gangdifferenzen in Amplitudenunterschiede vorgenommen. Als Resultat dieser Amplitudenunterschiede erscheint die Abbildung des Objektes im Mikroskop durch gegenseitiges Auslöschen oder Verstärken der direkten, durch das Objekt gelangenden und am Objekt gebeugten Lichtstrahlen.
  • Ein Nachteil dieses Prinzips ist somit die Tatsache, dass ideale Phasenpräparate nicht die Regel darstellen, da den Phaseneffekten meist Amplitudeneffekte überlagert sind.
  • Aufgrund des Prinzips der Abbildung der Strukturen durch Amplitudenunterschiede werden die vorhandenen Zellstrukturen in Abhängigkeit von der eigenen optischen Dichte als abgestufte Grautöne dargestellt. Zur Verbesserung der Wiedergabe der Strukturen ist die Verwendung dünner Präparate und Phasenplättchen angezeigt. Abhängig von der Beschaffenheit der verschiedenen Phasenplättchen können sowohl positive als auch negative Phasenkontraste erreicht werden, was zur Folge hat, dass die zu untersuchenden Objekte entweder dunkler oder heller als die Umgebung dargestellt werden.
  • Bei der Phasenkontrastmikroskopie ist es weiterhin wichtig zu beachten, dass durch die Lichteinwirkung und zusätzliche Schädigungen an den vitalen Zellen relativ schnell Nekrosen (Absterben der Zellen) entstehen können. Als Resultat dieser raschen Nekroseentstehung muss die Beurteilung der Präparate innerhalb von ein bis zwei Stunden erfolgen, um die Aussagekraft der diagnostischen Maßnahme zu erhalten. Somit erfordert diese zeitliche Begrenzung der Beurteilung von Vitalpräparaten in der Regel eine Dokumentation mittels Mikrophotographie oder gegebenenfalls durch die Ausführung einer Mikrokinematographie. Eine Mikrofotographie ist die Fotographie eines mikroskopischen Bildes, welches mit einer an einem Mikroskop angeschlossenen Kamera aufgenommen wurde. Durch die Mikrokinematographie besteht die Möglichkeit, Objekte unter mikroskopischer Betrachtung in bewegten Bildern festzuhalten.
% dysmorphe Erythrozyten  
Klinische Wertigkeit
< 20  Keine Glomerulopathie
 20-50  Glomerulopathie möglich
 51-75  Hochverdächtig auf Glomerulopathie
 > 80  Sichere Glomerulopathie

Literatur

  1. Rathert P: Urinzytologie: Praxis und Atlas. Springer Verlag 2008
  2. Kuhlmann U: Nephrologie: Pathophysiologie – Klinik  – Nierenersatzverfahren. Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2008
  3. Abu-Tair M: Medizinische Klinik – Urindiagnostik im klinischen Alltag. Urban und Vogel Verlag 2010
  4. Hahn H: Medizinische Mikrobiologie und Infektiologie. Springer Verlag 2008
  5. Anders HJ et al.: Urindiagnostik: Teststreifenanalyse und Harnsediment. Dtsch med Wochenschr 2001; 126(45): 1269-1271. doi: 10.1055/s-2001-18320
  6. Beetz R: Pädiatrie up2date – Differentialdiagnose Hämaturie; Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2007
  7. Piller H: Contributions to Mineralogy and Petrology – Die Phasenkontrastmikroskopie als Hilfsmittel zur Bestimmung feinkörniger, speziell dünner, transparenter Minerale; Springer Verlag 2005

     
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