Medikamentöse Therapie
Haarausfall (Alopecia)

Therapieziel

  • Vermeidung des Progredienz (Fortschreiten) der Alopecia

Therapieempfehlungen

Therapieempfehlungen in Abhängigkeit von den Diagnosen (s. u.) :

  • Alopecia androgenetica (AGA)
    • Mann: 
      • Finasterid (5-α-Reduktase-Hemmer); kontraindiziert bei Frauen, Kindern und Jugendlichen; Minoxidil (Vasodilatator)
        Beachte: Bei Männern größer 45 Jahre sollte vor Einleitung einer Finasterid-Therapie der Basis-PSA-Wert bestimmt werden.
    • Frau:
      • Bei Hyperandrogenämie:
        • orale Antiandrogene (Arzneistoffe, die die Wirkung der männlichen Sexualhormone hemmen): Cyproteronacetat und Chlormadinonacetat*
        • antiandrogene Kontrazeptiva 
        • Dexamethason (0,25 mg/d) bei adrenaler Hyperandrogenämie zur Reduktion eines erhöhten DHEAS-Wertes 
        • Antiandrogen und Dexamethason bei kombinierter ovarieller und adrenaIer Hyperandrogenämie
        • Spironolacton bei polyzystischem Ovarsyndrom (PCOS) mit Polymorphismen bei androgenverwandten Genen zur Reduktion eines erhöhten Androgen-Serumspiegels (hier liegt im Regelfall auch ein Hirsutismus (vermehrte Terminalbehaarung (Langhaare) der Frau, gemäß dem männlichen Verteilungsmuster vor) [Off-Label-Use]
      • Ohne Hyperandrogenämie: Lokaltherapie: 2 %-Minoxidil-Lösung/5 % Schaum; 17α-Estradiol oder Estradiolbenzoat (Haartinkturen)
  • Alopecia areata: Glucocorticoide, JAK1/2-Inhibitor (Tofacitinib; Off-Label-Use); JAK-Inhibitor Baricitinib erzielt ebenfalls eine deutliche Besserung [10]; ggf. individueller Heilversuch mit Diphencyprone (induziert mildes Kontaktallergen)
  • Alopecia cicatrica (narbige Alopecia): Behandlung der Grunderkrankung
    • Frontal fibrosierende Alopecia (FFA): Tofacitinib (JAK-Kinase-Inhibitor), oral (Off-Label-Use)
  • Hypoöstrogenämisches Effluvium (Östrogenmangel-bedingter Haarausfall):
    • topisch: z. B. Kombinationshaarwasser aus Minoxidil 2 %, Östradiol 0,12 %, Finasterid 0,15 %
    • systemisch: Substitutionstherapie mit einem natürlichen Östradiol und einem Gestagen der Progesteronreihe; kein Norethisteron-Derivat.
  • Diffuse erworbene Alopecia: Finasterid (5-α-Reduktase-Hemmer; Gabe nur bei Männern); Minoxidil (Vasodilatator)
  • Chemotherapie-induzierte Alopezie (CIA): Therapieoptionen umfassen eine topische Behandlung mit 2 % oder 5 % Minoxidil und 5-α-Reduktase-Inhibitoren 
  • Siehe dazu auch unter "Weitere Therapie".

*Beachte: Chlormadinonacetat oder Nomegestrolacetat, sind bei Patientinnen mit einem bestehenden Meningeom (Hirntumor, der von den Hirnhäuten (Meningen) ausgeht) oder einem Meningeom in der Vorgeschichte kontraindiziert. Des Weiteren sind Arzneimittel, die Chlormadinonacetat (5-10 mg/Tablette) oder Nomegestrolacetat (3,75-5 mg/Tablette) enthalten nur dann angezeigt, wenn andere Maßnahmen als ungeeignet angesehen werden. Bei Therapie muss gewährleistet sein, dass die Patientin auf Meningeome überwacht werden [10].

Weitere Hinweise

  • Minoxidil (topische Anwendung) bei Frauen mit AGA ohne Hyperandrogenämie: Daueranwendung ist erforderlich, da erreichtes Resultat (Haargewicht und Anzahl der Haare) ansonsten sechs Monate nach dem Absetzen der Behandlung auf Placeboniveau zurückgehen würde [3].
  • Januskinase-(JAK-)Hemmer
    • Der Januskinase-(JAK-)Hemmers Tofacitinib führte bei Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA), bei einer erhöhten Dosis ( 2-mal täglich 10 mg; empfohlene Dosis: zweimal täglich 5 mg), die bei Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA) nicht zugelassen ist, zu teilweise tödlichen Lungenembolien [5].
    • Bei Patienten über 65 Jahre soll Tofacitinib nur erwogen werden, wenn keine geeignete Alternative zur Verfügung steht, da diese Patienten ein zusätzlich erhöhtes Risiko für schwere Infektionen aufweisen [8].
    • Bei der Behandlung von Erwachsenen mit Alopecia areata die JAK-Inhibitoren Baricitinib, Ritlecitinib, Deuruxolitinib und Brepocitinib. Es zeigte sich eine statistisch signifikante Verbesserung des Haarwachstum im Vergleich gegenüber Placebo [12].
    • Cave: "Vorläufige Daten aus einer klinischen Studie mit Patienten mit rheumatoider Arthritis deuten auf ein höheres Risiko für schwerwiegende unerwünschte kardiovaskuläre Ereignisse und maligne Erkrankungen (außer nicht-melanozytärer Hautkrebs, NMSC) im Zusammenhang mit Tofacitinib im Vergleich zu einem TNF-Inhibitor hin" [9].
    • Laut einer Metaanalyse sind Baricitinib (4 mg/d) einmal oder Deuruxolitinib (12 mg, zweimal täglich) am wirksamsten gegen Alopecia areata [13].
  • Der Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC) der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) rät den Ärzten, auf Tagesdosen von über 10 mg Cyproteron nach Möglichkeit zu verzichten (Gefahr der Bildung eines Meningeoms) [7].

5-α-Reduktase-Hemmer

  • Wirkweise von Finasterid: blockiert irreversibel die Aktivität der 5α-Reduktase, im Gegensatz dazu ist die Bindungsaffinität von Finasterid zur 5α-Reduktase-1 relativ gering, sodass das Enzym nicht irreversibel blockiert wird; die 5α-Reduktase-1 wird insb. in der Leber, im Gehirn und in den Talgdrüsen der Haut gebildet; dadurch wird die Umwandlung von Testosteron in 5α-Dihydrotestosteron (DHT) gehemmt und die DHT-Serumkonzentration (in Serum und Kopfhaut) um bis zu 80 % reduziert; nach Absetzen von Finasterid kommt es innerhalb von 14 Tagen zu einem Wiederanstieg des DHT-Spiegels in den Bereich des Ausgangswerts
    Wirkungen auf die Haarfollikel der Kopfhaut: Verlängerung der verkürzten Anagenphase und der Haarausfall verlangsamt  bzw. aufgehalten
  • Keine Beeinflussung der Testosteronwirkung
  • Indikationen: Anwendung bei diffuser erworbener Alopecia
    Beachte: 
    Bei Männern größer 45 Jahre sollte vor Einleitung einer Finasterid-Therapie der Basis-PSA-Wert bestimmt werden.
  • Kontraindikationen: Frauen, Kinder und Jugendliche
  • Nebenwirkungen: Potenz/ Libido/ Ejakulat ↓, Hodenschmerzen, gastrointestinale Beschwerden (Abdominalschmerzen; Diarrhoe, Übelkeit), Kopfschmerzen, Überempfindlichkeitsreaktionen
  • Post-Finasterid-Syndrom (PFS): Symptome, die über mindestens 3 Monate nach Absetzen der Behandlung einer androgenetischen Alopezie mit 1 mg Finasterid persistierten [2]
    • Somatische Symptome
      • Gynäkomastie, Lethargie, Müdigkeit, Muskelatrophie, vermehrte Fetteinlagerung,  Libidoverlust, erektiler Dysfunktion und Depression; Orgasmusstörungen,
    • Kognitive Störungen
      • schwerer Gedächtnisverlust, langsamer Denkprozess
    • Psychische Störungen
      • Gesteigerte Angst, Affekthemmung, emotionale Labilität, Schlafstörungen, Insomnie, Suizidgedanken
    Mögliche Ursache: Der Abfall des DHT-Spiegels könnte Auswirkungen auf die Expression der 5α-Reduktase haben.
    Therapie: Transdermale Substitution von Dihydrotestosteron; ggf. Antidepressiva
  • Rote-Hand-Brief [4]:
    • Patienten sollten sich des Risikos einer sexuellen Dysfunktion (wie erektile Dysfunktion, Ejakulationsstörung, verminderte Libido) bewusst sein und darüber informiert werden, dass diese auch nach Absetzen der Therapie länger als zehn Jahre fortbestehen können.
    • Patienten sollten darüber aufgeklärt werden, dass im Zusammenhang mit einer Behandlung mit Finasterid über Stimmungsänderungen (einschließlich depressiver Verstimmung, Depression, Suizidgedanken) berichtet wurde.

Koffein

  • In einer Nichtunterlegenheitsstudie waren 210 Männer mit androgenetischer Alopecia sechs Monate lang mit einer Lösung mit 0,2 % Koffein oder mit Minoxidil 5 % behandelt worden: Ergebnis: Es zeigte sich eine Nichtunterlegenheit von Koffein versus Minoxidil mit einer Zunahme der Anagenrate von 10,6 versus 11,7 % (p=0,574) [6].
    • frontale Trichogramme zeigten ebenfalls eine Zunahme der Anagenrate von 11,3 versus 11,9 Prozent (p=0,740)
    • okzipitale Trichogrammen zeigten Anstieg der Anagenrate für Koffein und Minoxidil von 9,15 versus 11,1, Prozent (p=0,349)
  • Wirkweise von Koffein: Phosphodiesterase-Hemmer; hebt die intrazellulären cAMP-Spiegel an und steigert dadurch die intrazelluläre Energieversorgung

Supplemente (Nahrungsergänzungsmittel; Vitalstoffe)

Geeignete Nahrungsergänzungsmittel für die Gesundheit von Haut, Haaren und Nägeln sollten die folgenden Vitalstoffe enthalten:

  • Vitamine (A, C, E, D3, B1, B2, Niacin (Vitamin B3), Pantothensäure (Vitamin B5), B6, B12, Folsäure, Biotin)
  • Mineralstoffe (Magnesium)
  • Spurenelemente (Eisen, Kupfer, Mangan, Molybdän, Selen, Zink)
  • Fettsäuren (Omega-3-Fettsäuren: Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA); Omega-6-Fettsäure: Gamma-Linolensäure (GLA))
  • Sekundäre Pflanzenstoffe (Beta-Carotin, Lycopin, Grüntee-Polyphenole, Traubenkern- und Oliven-Polyphenole)
  • Weitere Vitalstoffe (Coenzym Q10 (CoQ10), Hirse-Extrakt und Kieselerde)

Beachte: Die aufgeführten Vitalstoffe sind kein Ersatz für eine medikamentöse Therapie. Nahrungsergänzungsmittel sind dazu bestimmt, die allgemeine Ernährung in der jeweiligen Lebenssituation zu ergänzen.

Für Fragen zum Thema Nahrungsergänzungsmittel stehen wir Ihnen gerne kostenfrei zur Verfügung.

Nehmen Sie bei Fragen dazu bitte per E-Mail – info@docmedicus.de – Kontakt mit uns auf, und teilen Sie uns dabei Ihre Telefonnummer mit und wann wir Sie am besten erreichen können.

Literatur

  1. Xing L et al.: Alopecia areata is driven by cytotoxic T lymphocytes and is reversed by JAK inhibition Nature Medicine (2014) doi:10.1038/nm.3645
  2. Ganzer CA et al.: Persistent sexual, emotional, and cognitive impairment post-finasteride: a survey of men reporting symptoms. Am J Mens Health 2015 May;9(3):222-8. doi: 10.1177/1557988314538445. Epub 2014 Jun 13.
  3. Mc Coy et al.: Minoxidil dose response study in female pattern hair loss patients determined to be non-responders to 5% topical minoxidil. J Biol Regul Homeost Agents 2016; 30: 1153-5
  4. Rote-Hand-Brief zu Finasterid-haltigen Arzneimitteln (1-mg- und 5-mg-Dosierung) AkdÄ Drug Safety Mail | 37-2018
  5. FDA Drug Safety Communication: Safety trial finds risk of blood clots in the lungs and death with higher dose of tofacitinib (Xeljanz, Xeljanz XR) in rheumatoid arthritis patients; FDA to investigate. FDA Safety Alert Posted 02/25/2019
  6. Dhurat R et al.: An Open-Label Randomized Multicenter Study Assessing the Noninferiority of a Caffeine-Based Topical Liquid 0.2% versus Minoxidil 5% Solution in Male Androgenetic Alopecia. Skin Pharmacol Physiol. 2018 Jan; 30(6): 298-305. Published online 2017 Oct 21. doi: 10.1159/000481141
  7. Restrictions in use of cyproterone due to meningioma risk. EMA Press release 14/02/2020
  8. Rote-Hand-Brief zu Xeljanz® (Tofacitinib) vom 20.03.2020
  9. AkdÄ Drug Safety Mail: Rote-Hand-Brief zu Xeljanz® vom 24.03.2021
  10. King B et al.: Two Phase 3 Trials of Baricitinib for Alopecia Areata. N Engl J Med 2022; https://doi.org/10.1056/NEJMoa2110343
  11. Rote-Hand-Brief zu Chormadinon- und Nomegestrol-haltigen Arzneimitteln: Maßnahmen zur Minimierung des Meningeomrisikos AkdÄ Drug Safety Mail | 2022-45
  12. Gupta AK et al.: Systematic review of newer agents for the management of alopecia areata in adults: Janus kinase inhibitors, biologics and phosphodiesterase- 4 inhibitors. J Eur Acad Dermatol Venereol 2022; https://doi.org/10.1111/jdv.18810
  13. Sedeh FB et al.: Comparative Efficacy and Safety of Janus Kinase Inhibitors Used in Alopecia Areata: A Systematic Review and Meta-analysis Acta Derm, Venerol 2023 103: adv00855 doi: 10.2340/actadv.v103.4536

Leitlinien

  1. Kanti V et al.: Evidence‐based (S3) guideline for the treatment of androgenetic alopecia in women and in men – short version JEADV First published: 27 November 2017 https://doi.org/10.1111/jdv.14624

     
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