Oraler Glukosetoleranztest (oGTT) bei Schwangerschaftsdiabetes

Gestationsdiabetes mellitus (GDM) ist der medizinische Fachbegriff für einen Schwangerschaftsdiabetes. Diese Form des Diabetes tritt erstmalig während einer Schwangerschaft auf. Etwa 3-8 % der Schwangeren sind davon betroffen.

Symptome und Beschwerden

Der Gestationsdiabetes zeigt nicht so eindeutige Symptome wie ein „echter“ Diabetes mellitus.

Mitunter treten vermehrt Infektionen der Genitalien – zum Beispiel Scheidenentzündungen (Kolpitiden) – und/oder Harnwegsinfektionen auf sowie ein erhöhter Blutdruck (Hypertonie).

Diese Symptome sind jedoch relativ unspezifisch und werden mitunter nicht mit einem möglichen Schwangerschaftsdiabetes in Verbindung gebracht.

Eventuell wird beim Neugeborenen ein zu schnelles Wachstum (Makrosomie) oder erhöhte Mengen an Fruchtwasser (Polyhydramnion) festgestellt, was ein Hinweis auf die Erkrankung der Mutter sein kann.

Risikofaktoren

  • Familiäre Fälle von Diabetes mellitus
  • Schwangere ab dem 30. Lebensjahr
  • Übergewicht der Mutter
  • Hohes Geburtsgewicht von mehr als 4.000 g bei vorangegangenen Schwangerschaften (Makrosomie)
  • Vorangegangene Frühgeburten
  • Früher Kindstod bei vorangegangenen Schwangerschaften

Folgeerkrankungen für das Neugeborene

  • Makrosomie – erhöhtes Geburtsgewicht von mehr als 4.000 g
  • Vergrößerte, unreife innere Organe des Kindes, z. B. Kardiomyopathie – zu großes, aber nicht vollständig leistungsfähiges Herz
  • Atembeschwerden – aufgrund von Surfactant-Mangel
  • Erhöhte Bilirubinwerte im Blut
  • Blutbildung außerhalb des Knochenmarks
  • Hypoglykämie – erniedrigter Blutzuckerspiegel
  • Hypocalcämie (Calciummangel)
  • Erhöhte Sterblichkeit des Ungeborenen bei nicht behandeltem Schwangerschaftsdiabetes durch krankhafte Veränderungen der Plazenta (Mutterkuchen) und dadurch bedingt Unterversorgung des Neugeborenen (Plazentainsuffizienz)

Ursachen

Als Ursache für den Schwangerschaftsdiabetes werden die Umstellung der hormonellen Stoffwechsellage und der veränderte Kohlenhydratstoffwechsel angegeben.

In der Schwangerschaft werden bestimmte Hormone, die unter anderem den Blutzuckerspiegel erhöhen, vermehrt produziert.
Das Hormon, das den Blutzucker senkt, das
Insulin, muss in immer größeren Mengen von der Bauchspeicheldrüse (Pankreas) hergestellt werden, um den erhöhten Blutzucker zu normalisieren.
Daraus resultieren ein Ungleichgewicht und eine gestörte Glucosestoffwechsellage des Körpers. Schafft die Bauchspeicheldrüse es nicht mehr, den Blutzucker zu normalisieren, entsteht der Gestationsdiabetes.
In den meisten Fällen verschwindet der Schwangerschaftsdiabetes nach Ende der Schwangerschaft wieder. Bei circa 4 % der Betroffenen bildet sich die Diabetes-Erkrankung jedoch nicht zurück, sondern bleibt bestehen. Bei etwa
50 % der Frauen, die einmal an Schwangerschaftsdiabetes erkrankt waren, tritt im späteren Verlauf ihres Lebens eine „echte“ Diabetes-Erkrankung auf.

Diagnostik

Der Glukosetoleranztest – kurz GTT (Synonyme: Glucose Challenge Test, GCT; 75-g-oGTT) – dient zur Erkennung eines Gestationsdiabetes. Da Symptome meist ausbleiben, ist dieser Test zur Diagnose des Schwangerschaftsdiabetes unabdingbar.

Indikationen

  • Screening bzw. Diagnostik auf Gestationsdiabetes mellitus (GDM)
  • Gelegenheits-Glucose-Messung ≥ 200 mg/dl (11,1 mmol/l) oder Nüchternglucose ≥ 92 mg/dl (5,1 mmol/l) und Nüchternglucose (Zweitmessung): 92-125 mg/dl (5,1-6.9 mmol/l)

Kontraindikationen (Gegenanzeigen)

  • Manifester Diabetes mellitus
  • Ketonurie (Auftreten übernormaler Mengen von Ketokörpern) ohne Glukosurie (vermehrte Ausscheidung von Glucose (Traubenzucker) im Urin)
  • Azidose (Übersäuerung)
  • Fieberhafte Erkrankungen
  • Hepatitis (Leberentzündung)

Das Verfahren

Benötigtes Material

  • 1,0 ml NaF-Blut je Blut­entnahme für Glucose oder 1,0 ml venöses Vollblut mit GlucoEXAKT (Sarstedt) je Blut­entnahme für Glucose

Vorbereitung des Patienten

  • Mindestens 14 Tage Abstand zu einer akuten Erkrankung.
  • Keine Operationen am oberen Gastrointestinaltrakt
  • Keine außergewöhnlich schwere körperliche Belastung
  • Vor Testbeginn Einhalten einer Nüchternperiode von mindestens acht Stunden.
  • Vor und während des Tests darf nicht geraucht werden.
  • Testbeginn zwischen sechs und neun Uhr morgens
  • Während des Tests soll die Schwangere sitzen und keine unnötigen Bewegungen ausführen.
  • Es werden während des Tests keine weiteren Untersuchungen durchgeführt.

Störfaktoren

  • Störfaktoren, die die Glukosetoleranz beeinflussen können:
    • Hungerzustand
    • Lange Bettlägerigkeit
    • Hyperthyreose (Schilddrüsenüberfunktion)
    • Hypokaliämie (Kaliummangel)
    • Hochgradige Herzinsuffizienz (Herzschwäche)
    • Hyperlipoproteinämie (Fettstoffwechselstörung)
    • Leberzirrhose – irreversible (nicht umkehrbare) Schädigung der Leber und einen ausgeprägten Umbau des Lebergewebes
    • Metabolische Azidose (Urämie)
    • Stress
  • Störende Medikamente (soweit möglich) drei Tage vorher absetzen:
    • Benzodiazepine
    • Diuretika (vor allem Thiazide)
    • Hormone
      • Hormonelle Kontrazeptiva
      • Schilddrüsenhormone
      • Steroide
    • nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR)
    • Laxantien
    • Nicotinsäure
    • Nitrazepam
    • Phenothiazine, Phenazetin

Durchführung

  • Zeitpunkt: Screeningtest bei allen Schwangeren 24 + 0 bis 27 + 6 SSW (Schwangerschaftswoche)
  • Mindestens 14 Tage Abstand zu einer akuten Erkrankung.
  • 50-g-Glucose-Screeningtest (Glucose Challenge Test, GCT): Der Test wird unabhängig von der Nahrungsaufnahme und der Tageszeit mit dem Trinken von 50 g wasserfreier Glucose in 200 ml Wasser durchgeführt. Die Schwangere darf nicht nüchtern sein. Die Tageszeit ist beliebig.
    Der Glucose-Serumspiegel der Schwangeren wird nach 60 Minuten gemessen. Die Messung der Blutglucose erfolgt aus venösem Plasma.
  • 75-g-oGTT: Zur Bestimmung des Nüchternglucose-Serumspiegels wird der Schwangeren morgens am Untersuchungstag nüchtern – ohne, dass sie in den letzten acht Stunden etwas gegessen oder getrunken hat – Blut entnommen. Danach trinkt sie nüchtern 75 g Glucose in Tee gelöst oder ein Fertigpräparat: 75 g Dextrose, z. B. Dextro-Energen® auf 300 ml Wasser. Der Glucose-Serumspiegel der Schwangeren wird nach 60 und 120 Minuten gemessen.

Normwerte 

50-g-Glucose-Screeningtest (Glucose Challenge Test, GCT)

 Nach 1 Stunde
 < 135 mg/dl (7,5 mmol/l)


75-g-oGTT
[Empfehlung: WHO, DGG]

Nüchtern  92 mg/dl (5,1 mmol/l)
Nach 1 Stunde
180 mg/dl (10,0 mmol/l)
Nach 2 Stunden 153 mg/dl (8,5 mmol/l)

Interpretation

  • Ein Blutglucosewert von ≥ 135 mg/dl (7,5 mmol/l) im 50-g-Glucose-Screeningtest eine Stunde nach Ende des Trinkens der Testlösung gilt als positives Screening und erfordert einen anschließenden diagnostischen 75-g oGTT.
  • Sofern einer der Werte im 75-g-oGTT erreicht oder überschritten wird, ist die Diagnose Gestationsdiabetes gesichert.

Weitere Hinweise

  • Ergänzend können Untersuchungen auf Auto-Antikörper erfolgen, die bei etwa 10 % der Schwangeren mit Gestationsdiabetes gefunden werden und ein Anzeichen dafür sind, dass eine Disposition zu Diabetes mellitus besteht.
  • ScreenR2GDM“-Studie: Das zweizeitigen Vorgehen – zwischen 24 und 28 SSW ein 50-g-Screeningtest und bei positivem Ergebnis folgt ein 75-g-oGTT für eine endgültige Diagnosestellung – zeigt, dass etwa die Hälfte weniger GDM-Diagnosen gestellt und 45 Prozent weniger Schwangere mit Insulin behandelt werden – ohne Nachteile für Mütter und Kinder [1].
  • Frauen mit Gestationsdiabetes entwickeln 6 bis 8 Wochen nach der Geburt eine reaktive Hypoglykämie (RH; < 70 mg/dl; 1 von 8 Frauen): in einer prospektiven Studie konnte gezeigt werden, dass eine RH mit einem besseren metabolischen Profil verbunden ist [2].

Literatur

  1. Hillier TA et al.: A Pragmatic, Randomized Clinical Trial of Gestational Diabetes Screening. N Engl J Med 2021; 384:895-904 doi: 10.1056/NEJMoa2026028
  2. Quansah DY et al. Reactive hypoglycaemia during the OGTT after gestational diabetes mellitus: Metabolic implications and evolution. Diab Med 2022; https://doi.org/10.1111/dme.14920

     
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