NIPT

Der NIPT (= "non-invasive prenatal testing", NIPT oder "Non-Intrusive Pregnancy Diagnostic Test". NIPDT; nicht invasiver pränataler Test; Synonyme: Harmony™-Test; Harmony Prenatal-Test) ist ein molekulargenetischer Bluttest zum Nachweis zellfreier DNA (cfDNA test, cell-free DNA test). Zellfreie DNA sind DNA-Fragmente von Chromosomen, die während der Schwangerschaft im maternalen (mütterlichen) Blut frei zirkulieren. Sie stammen sowohl vom Fötus als auch von der Mutter [9]. Die Schwangere sollte sich in der 10+0 Schwangerschaftswoche (SSW) oder darüber befinden.

Als Screening-Test im Rahmen der Pränataldiagnostik (PND; vorgeburtliche Diagnostik) dient der NIPT der Risikobewertung für:

  • Chromosomal bedingte Erkrankungen – Chromosomenabweichungen, die die Anzahl der Chromosomen (numerische Chromosomenanomalie: ein Chromosom zu viel bzw. zu wenig) oder die Struktur der Chromosomen (strukturelle Chromosomenanomalie) betreffen können:
    • Trisomie (unübliche Meiose (Reifeteilung) von Oozyte (Eizelle) oder Spermium (Samenzelle), die dazu führt, dass ein Chromosom oder ein Teil eines Chromosoms nicht zweifach (disom), sondern dreifach (trisom) in allen oder einigen Körperzellen vorliegt)
      • Trisomie 21 (Down-Syndrom; Synonyme: "Mongolismus")
        • Verdreifachung des Erbmaterials von Chromosom 21
        • Kinder haben schwache bis mäßige geistige Behinderung
        • häufig Fehlbildungen innerer Organe (z. B. Vitien/Herzfehler)
        • häufigste Trisomie: 1 von 740 Neugeborenen ist betroffen
      • Trisomie 18 (Edwards-Syndrom; Synonyme: E1-Trisomie, Trisomie E)
        • Verdreifachung des Erbmaterials von Chromosom 18
        • hohe Abortrate (Fehlgeburtsrate)
        • Kinder kommen mit schweren Fehlbildungen zur Welt
        • kurze Lebenserwartung
        • 1 von 5.000 Neugeborenen ist betroffen
      • Trisomie 13 (Pätau-Syndrom; Synonyme: Patau-Syndrom, Bartholin-Patau-Syndrom, D1-Trisomie)
        • Verdreifachung des Erbmaterials von Chromosom 13
        • hohe Abortrate (Fehlgeburtsrate)
        • Kinder kommen mit schweren kongenitalen (angeborene) Vitien (Herzfehler) zur Welt
        • versterben meist innerhalb des ersten Lebensjahres
        • 1 von 16.000 Neugeborenen ist betroffen
  • Störungen/Fehlverteilung der Geschlechtschromosomen X, Y und daraus resultierende Erbkrankheiten [1]
    • Klinefelter-Syndrom – Gonosomen (Geschlechtschromosomen)-Anomalie des männlichen Geschlechts, die zu einem primären Hypogonadismus (Keimdrüsenunterfunktion) führt. Es kommt ungefähr einmal bei 500 männlichen Neugeborenen vor.
    • Turner-Syndrom (Synonym: Ullrich-Turner-Syndrom) – Mädchen/Frauen mit dieser Besonderheit haben lediglich ein funktionsfähiges X-Chromosom statt der üblichen zwei (Monosomie X); sie ist die einzige lebensfähige Monosomie beim Menschen und kommt ungefähr einmal bei 2500 weiblichen Neugeborenen vor.
    • Triple-X-Syndrom (XXX) / Trisomie X: Beim Triple X-Syndrom liegt das X-Chromosom dreimal vor. Diese Störung betrifft nur Mädchen und kommt ungefähr einmal bei 1.000 weiblichen Neugeborenen vor
    • XYY-Syndrom / Diplo Y-Syndrom: Beim Diplo Y-Syndrom, welches ebenfalls nur Jungen betrifft, liegt ein zusätzliches Y-Chromosom in den Zellen vor. Es kommt circa einmal in 1.000 Geburten von männlichen Neugeborenen vor.

Des Weiteren kann der NIPT zur Bestimmung des Geschlechts des Ungeborenen herangezogen werden. Die Genauigkeit liegt dabei bei > 99 %.

Vor der Untersuchung 

Der NIPT erfordert eine ärztliche Aufklärung und genetische Beratung nach dem Gendiagnostikgesetz (GenDG).

Der NIPT erlaubt derzeit zuverlässige Aussagen zur Wahrscheinlichkeit einer Trisomie 21, 18, 13, aber keine Aussagen zu strukturellen Fehlbildungen. Diese machen jedoch den Großteil der perinatal relevanten Anomalien aus. Auch lassen sich die meisten anderen Chromosomenstörungen und syndromale Erkrankungen nicht erkennen [15].

Beachte: Bei Zwillingsschwangerschaften, nach künstlicher Befruchtung und bei Adipositas hat NIPT eine höhere Versagerquote und es liegen nur eingeschränkt Daten zur Testgüte vor [15].

Das Verfahren

Der Test ist ein nicht-invasiver molekulargenetischer pränataler Diagnostiktest zur Bestimmung fetaler Trisomien (s. o.) [13]. Des Weiteren können damit Störungen/Fehlverteilung der Geschlechtschromosomen nachgewiesen werden.

Wissenschaftliche Studien zeigen, dass die Raten für falsch-positive und falsch-negative Ergebnisse im Gegensatz zu anderen nicht-invasiven Screening-Tests signifikant niedriger waren [[6-11]. Vor allem die Erkennungsrate für Trisomie 21 ist anhand dieses Tests deutlich verbessert worden.

Im Rahmen der Next-Studie wurden die Ergebnisse aus NIPT (Harmony™-Test) mit denen des Ersttrimester-Screenings verglichen (18.056 Schwangere). Unter dem Harmony™-Test wurden alle 36 Trisomie 21-Fälle entdeckt. Die Falsch-Positiv-Rate betrug beim Harmony™-Test 0,06 % ist damit in etwa fünfmal niedriger als bei anderen Verfahren (z. B. Ersttrimester-Screening) [12].

Der NIPT stellt folglich im Vergleich zu herkömmlichen invasiven Untersuchungsmethoden (Amniozentese (Fruchtwasseruntersuchung) oder Chorionzottenbiopsie/Gewebeentnahme aus dem fetalen (kindlichen) Anteil der Plazenta (Mutterkuchen)) eine risikofreie Alternative dar.

Hinweis: Der NIPT ist auch geeignet für Zwillingsschwangerschaften sowie IVF-Schwangerschaften nach Eizellspende [5]. Allerdings muss bei Zwillingsschwangerschaften mit einer eingeschränkten Erkennungsrate (ca. 93 %) gerechnet werden [1].

Benötigtes Material

  • Blutserum – 2 x 10 ml venöses Blut
  • zwei Blutentnahmeröhrchen

Vorbereitung des Patienten

  • Nicht nötig

Störfaktoren

  • Keine

Indikationen (Anwendungsgebiete)

  • Schwangere, ab der 10+0 Schwangerschaftswoche (SSW), die ein erhöhtes Risiko für chromosomale Veränderungen sowie Störungen/Fehlverteilung der Geschlechtschromosomen beim Ungeborenen haben
  • Bestimmung des fetalen Geschlechts (Mitteilung des Ergebnisses darf erst nach der 14. SSW post menstruationem erfolgen)

Interpretation

  • NIPT ist ein Screening-Test. Bei einem auffälligen NIPT ist eine diagnostische Punktion obligat anzubieten. Die Indikationsstellung zum Schwangerschaftsabbruch darf nicht auf einem isolierten NIPT-Befund beruhen [15].
  • Ein positives Ergebnis sollte immer mittels zweiter, in der Regel dann invasiver Methode wie Amniozentese oder Chorionzottenbiopsie (CVS) und anschließender Chromosomenanalyse bestätigt werden. Dies gilt vor allem für die Trisomie 13, deren Falsch-Negativ-Rate im Vergleich zu den anderen Trisomien erhöht ist. Mit dem Harmony-Test wurden nur 8 von 10 Trisomie 13-Fällen erkannt [1].
  • Ein ergebnisloser NIPT ist ein abklärungsbedürftiger Befund. In diesem Kollektiv finden sich mehr Chromosomenstörungen, insbesondere Trisomien 13 und 18 sowie Triploidien [15].

Weitere Hinweise

  • In Bezug auf die Erkennung der häufigen Chromosomenanomalien (Trisomie 13, 18 und 21) ist der NIPT dem Erstrimester-Screening (ETS; unter Berücksichtigung des mütterlichen Alters, der Nackentransparenz und der biochemischen Marker free-β-HCG und PAPP-A) deutlich überlegen [14].

Literatur

  1. Gil MM, Quezada MS, Bregant B, Syngelaki A, Nicolaides KH: Cell-Free DNA Analysis for Trisomy Risk Assessment in First-Trimester Twin Pregnancies. Fetal Diagn Ther 2014;35:204-211
  2. Gil MM, Quezada MS, Bregant B, Ferraro M, Nicolaides KH: Harmony-Test bei 1005 Routine-Patientinnen in der 10. SSW: Implementation of maternal blood cell-free DNA testing in early screening for aneuploidies. Ultrasound Obstet Gynecol 2013;42:34-40
  3. Nicolaides KH, Syngelaki A, Ashoor G et al.: Harmony-Test bei 2049 Routine-Patientinnen: Noninvasive prenatal testing for fetal trisomies in a routinely screened first-trimester population. Am J Obstet Gynecol 2012;207:374.e1-6.
  4. Ashoor G, Syngelaki A, Wang E, Struble C, Oliphant A, Song K, Nicolaides KH: Harmony-Test zur Erkennung der Trisomie 13: Trisomy 13 detection in the first trimester of pregnancy using a chromosome-selective cell-free DNA analysis method. Ultrasound Obstet Gynecol 2013;41:21-25.
  5. Gil MM, Quezada MS, Bregant B, Syngelaki A, Nicolaides KH: Harmony bei Zwillingsschwangerschaften: Cell-Free DNA Analysis for Trisomy Risk Assessment in First-Trimester Twin Pregnancies. Fetal Diagn Ther. 2013 Nov 15.
  6. Nicolaides KH, Musci TJ, Struble CA, Syngelaki A, Gil MM: Assessment of Fetal Sex Chromosome Aneuploidy Using Directed Cell-Free DNA Analysis. Fetal Diagn Ther 2014;35:1-6
  7. Sparks AB, Struble CA, Wang ET, Song K, Oliphant A: Non-invasive Prenatal Detection and Selective Analysis of Cell-free DNA Obtained from Maternal Blood: Evaluation for Trisomy 21 and Trisomy 18. Am J Obstet Gynecol (2012). doi: 10.1016/j. ajog.2012.01.030.
  8. Ashoor G, Syngelaki A, Wagner M, Birdir C, Nicolaides KH: Chromosome-selective sequencing of maternal plasma cell-free DNA for first trimester detection of trisomy 21 and trisomy 18. Am J Obstet Gynecol (2012). doi: 10.1016/j.ajog.2012.01.029.
  9. Sparks AB, Wang ET, Struble CA, Barrett W et al.: Selective analysis of cell-free DNA in maternal blood for evaluation of fetal trisomy. Prenat Diagn (2012); 32(1):3-9. doi: 10.1002/pd.2922. Epub 2012 Jan 6.
  10. Norton M, Brar H, Weiss J, Karimi A et al.: Non-Invasive Chromosomal Evaluation (NICE) Study: Results of a Multicenter, Prospective, Cohort Study for Detection of Fetal Trisomy 21 and Trisomy 18. Am J Obstet Gynecol (2012). doi:10.1016/j.ajog.2012.05.021.
  11. Ashoor G, Syngelaki A, Nicolaides KH et al.: Trisomy 13 detection in the first trimester of pregnancy using a chromosome-selective cell-free DNA analysis method, Ultrasound Obstet Gynecol (2012). doi: 10.1002/uog.12299.
  12. Heger M: Large Clinical Trial Suggests NIPT Better at Detecting Fetal Trisomy than First Trimester Screening. Genomeweb New York April 01, 2014
  13. Norton ME, Brar H, Weiss J, Karimi A, Laurent LC, Caughey AB, Rodriguez ME, Williams III J, Mitchell ME, Adair CD, Lee H, Jacobsson B, Tomlinson MW, Oepkes D, Hollemon H, Sparks AB, Oliphant A, Song K: Non-Invasive Chromosomal Evaluation (NICE) Study: results of a Multicenter prospective cohort study for detection of fetal trisomy 21 and trisomy 18. American Journal of Obstetrics & Gynecology August 2012
  14. Norton ME et al.: Cell-free DNA analysis for noninvasive examination of trisomy. N Engl J Med, 2015. 372(17): 1589-97
  15. 10 goldene Regeln für die Durchführung eines NIPT-Tests Board d. Sektion Gyn/Geb, 17.02.2020

Leitlinien

  1. S2k-Leitlinie: Humangenetische Diagnostik und Genetische Beratung. (AWMF-Registernummer: 078 - 015), Dezember 2018 Langfassung
  2. Kozlowski P et al.: Empfehlungen der DEGUM, der ÖGUM, der SGUM und der FMF Deutschland zum Einsatz von Ersttrimester-Screening, früher Fehlbildungsdiagnostik, Screening an zellfreier DNA (NIPT) und diagnostischen Punktionen. Ultraschall Med 2019; 40(02): 176-193. doi: 10.1055/a-0631-8898
  3. S2e-Leitlinie: Ersttrimester Diagnostik und Therapie @ 11-13+6 Schwangerschaftswochen. (AWMF-Registernummer: 085 - 002), Januar 2024 Kurzfassung Langfassung
     
Wir helfen Ihnen in jeder Lebenslage
Die auf unserer Homepage für Sie bereitgestellten Gesundheits- und Medizininformationen ersetzen nicht die professionelle Beratung oder Behandlung durch einen approbierten Arzt.
DocMedicus Suche

 
   -
   -
   -
   -
   -
   -
   -
   -
   -
   -
   -
   -
   -
   -
   -
   -
   -
   -
   -
   -
   -
   -
   -
   -
   -
   -
   -
ArztOnline.jpg
 
DocMedicus                          
Gesundheitsportal

Unsere Partner DocMedicus Verlag