Magen-Darm-Grippe (Gastroenteritis) – Einleitung

Als Gastroenteritis – umgangssprachlich Magen-Darm-Grippe genannt – wird eine entzündliche Erkrankung des Magens und des Dünndarms bezeichnet, welche meist durch eine Infektion hervorgerufen wird.

Synonyme und ICD-10: Darmkatarrh; Enterokolitis; Enterorrhoe; Gastroenteritiden; Gastroenteritis; Ileitis; Ileokolitis; Ileumentzündung; Jejunitis; Norovirusinfektionen; Salmonellen; Shigellen; spastische Enterokolitis; enterohämorrhagische Colitis; ICD-10-GM A09: Sonstige und nicht näher bezeichnete Gastroenteritis und Kolitis infektiösen und nicht näher bezeichneten Ursprungs

Differenzierung der Erkrankung

Ist nur der Dünndarm befallen, wird von einer Enteritis gesprochen, bei alleinigem Dickdarmbefall spricht man von einer Kolitis. Eine Kombination aus Dünndarm- und Dickdarmbefall wird als Enterokolitis bezeichnet.

Akute Gastroenteritis (AGE)

Eine akute Gastroenteritis (engl. acute gastroenteritis, AGE)  geht im Regelfall mit einer akuter Diarrhoe (Durchfall) mit bis zu zwei Wochen bestehenden Symptomen einher. Dieses wird in den meisten Fällen durch Viren verursacht, aber auch Bakterien, Protozoen und Helminthen (Würmer) können zu einer infektiösen Gastroenteritis führen.

Sonderform der Gastroenteritis: Reisediarrhoe

Eine Sonderform der Gastroenteritis ist die Reisediarrhoe (Reisedurchfall; Synonyme: Turista, Montezumas Rache, Delhi-Bauch). Man spricht von einer Reisediarrhoe, wenn sich die Stuhlkonsistenz während einer Reise oder bis zu zehn Tage nach Rückkehr verändert und mehr als drei Darmentleerungen mit breiig-flüssigem Stuhl pro Tag auftreten. Größtenteils handelt es sich um eine milde, selbstlimitierende Diarrhoe, die nach 3-5 Tagen sistiert (nicht mehr weiter fortschreitet).
Es handelt sich dabei klassischerweise um eine fäkal-orale Infektion, die zum größten Teil durch Bakterien (ca. 80 % der Fälle) verursacht wird.

Epidemiologie

Saisonale Häufung der Erkrankungen

  • Campylobacter-Enteritis: Häufiger in der warmen Jahreszeit (Juni bis September).
  • Gastroenteritis durch Norovirus: Kann zu jeder Jahreszeit auftreten, mit einem Häufigkeitsgipfel zwischen Oktober und März. Häufigster Erreger der nicht-bakteriellen Gastroenteritis.
  • Rotavirus-Infektion: Häufiger in den Monaten Februar bis April.
  • Bakterielle Infektionen (z. B. Salmonellen-Infektionen): Häufiger in den Sommermonaten.

Inkubationszeiten (Zeit von der Ansteckung bis zum Ausbruch der Erkrankung)

  • Salmonellen-Enteritis: Wenige Stunden (12-72 Stunden) bis maximal sieben Tage.
  • Norovirus-Infektion: 6-50 Stunden.
  • Rotavirus-Infektion: 1-3 Tage.
  • Yersiniose: Durchschnittlich 2-7 Tage (Minimum: 1 Tag; Maximum: 11 Tage).
  • Shigellen-Enteritis (Shigellose): 2-7 Tage.
  • Campylobacter-Enteritis: 2-5 Tage, in Einzelfällen bis zu zehn Tage.
  • EHEC-Infektion (enterohämorrhagische Colitis): 2-10 Tage (im Durchschnitt: 3-4 Tage).

Krankheitsdauer

  • Norovirus-Infektion: 1-2 Tage.
  • Salmonellen-/Shigellen-Infektion: Bis zu 3-4 Wochen.

Häufigkeitsgipfel

  • Infektiöse Durchfallerkrankungen: Häufig in allen Altersphasen, besonders häufig im Säuglings- und Kleinkindesalter.
  • Ältere Menschen: Erhöhtes Risiko für Clostridium difficile (Clostridioides difficile) Infektionen, die zu pseudomembranöser Enterokolitis führen können.

Inzidenzen (Häufigkeit von Neuerkrankungen)

  • Norovirus-Gastroenteritis: Ca. 140 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner.
  • Campylobacter-Enteritis: Ca. 87 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner pro Jahr (in Deutschland).
  • Rota-Virusinfektion: Ca. 67 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner pro Jahr.
  • E.coli-Enteritis (exkl. enterohämorrhagische E. coli, EHEC bzw. HUS): Ca. 14-37 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner.
  • Yersiniose: Ca. 4 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner pro Jahr.

Verlauf und Prognose

Verlauf

Akute Gastroenteritis

  • Symptome: Typische Symptome einer akuten Gastroenteritis umfassen Diarrhoe (Durchfall), Übelkeit (Nausea), Erbrechen (Emesis) und Bauchschmerzen. Fieber kann ebenfalls auftreten.
  • Dauer: Eine akute Gastroenteritis heilt in der Regel innerhalb von 3-5 Tagen ab. In seltenen Fällen kann die Dauer bis zu zwei Wochen betragen.
  • Erreger und Inkubationszeiten:
    • Campylobacter-Enteritis: 2-5 Tage (bis zu 10 Tage möglich).
    • EHEC-Infektion: 2-10 Tage (durchschnittlich 3-4 Tage).
    • Norovirus-Infektion: 6-50 Stunden.
    • Rotavirus-Infektion: 1-3 Tage.
    • Salmonellen-Enteritis: 12-72 Stunden (bis zu 7 Tage).
    • Shigellen-Enteritis: 2-7 Tage.
    • Yersiniose: 2-7 Tage (bis zu 11 Tage).

Chronische Diarrhoe

  • Symptome: Bei einer Diarrhoe, die länger als 4 Wochen anhält, muss an chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED) oder funktionelle Störungen gedacht werden.

Reisediarrhoe

  • Symptome: Mehr als drei Darmentleerungen mit breiig-flüssigem Stuhl pro Tag während einer Reise oder bis zu zehn Tage nach Rückkehr.
  • Dauer: In der Regel selbstlimitierend und sistiert nach 3-5 Tagen.

Prognose

Allgemeine Prognose

  • Heilung: Die meisten Fälle von akuter Gastroenteritis heilen ohne Komplikationen aus, insbesondere bei intaktem Immunsystem.
  • Schwere Verläufe: In schweren Fällen, insbesondere bei älteren Menschen oder solchen mit Vorerkrankungen, kann eine stationäre Behandlung erforderlich sein.

Chronische Verläufe

  • Rezidivrate: Es ist mit einer Rezidivrate von circa 30 % innerhalb von zwei bis vier Jahren zu rechnen [2].
  • Komplikationen: Eine unzureichend behandelte Gastroenteritis kann zu Dehydration (Flüssigkeitsmangel), Elektrolytstörungen (Abweichungen von der normalen Elektrolytkonzentration im Körper) und bei bestimmten Erregern zu schweren Komplikationen wie hämolytisch-urämischem Syndrom (HUS) führen.

Besondere Risikogruppen

  • Säuglinge und Kleinkinder: Besonders gefährdet durch Dehydration und Elektrolytstörungen.
  • Ältere Menschen: Häufigere und schwerere Verläufe, oft durch Clostridioides difficile (CDI).

Prävention

  • Impfungen: Impfungen gegen Salmonella typhi und Vibrio cholerae können Reisediarrhoe verhindern.
  • Hygienemaßnahmen: Regelmäßiges Händewaschen und sichere Lebensmittelzubereitung können das Risiko einer Infektion verringern.

Meldepflicht

Eine Gastroenteritis ist meldepflichtig, wenn:

  • eine Person betroffen ist, die eine Tätigkeit im Sinne des § 42 Abs. 1 ausübt,
  • zwei oder mehr gleichartige Erkrankungen auftreten, bei denen ein epidemischer Zusammenhang wahrscheinlich ist oder vermutet wird,

wenn dies auf eine schwerwiegende Gefahr für die Allgemeinheit hinweist und Krankheitserreger als Ursache in Betracht kommen, die nicht in § 7 (Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen) genannt sind.

Leitlinien

  1. Guideline des britischen National Institute for Health and Clinical Excellence (NICE): Diarrhoea and vomiting caused by gastroenteritis in under 5s: diagnosis and management. April 2009. www.nice.org.uk/CG084
  2. Hagel S, Epple HJ, Feurle GE et al.: S2k-guideline gastrointestinal infectious diseases and Whipple’s disease. Z Gastroenterol 53:418-459, May 2015
  3. JAMA Network Clinical Guideline Synopsis: Diagnosis and Management of Infectious Diarrhea. JAMA Pediatr. Published online June 11, 2018. doi:10.1001/jamapediatrics.2018.1172
  4. S2k-Leitlinie: Akute infektiöse Gastroenteritis im Säuglings-, Kindes- und Jugendalter. (AWMF-Registernummer: 068 - 003), März 2019 Langfassung
  5. S2k-Leitlinie: Gastrointestinale Infektionen (AWMF-Registernummer: 021-024), November 2023 Langfassung