Kompressionstherapie

Die Kompressionstherapie mit Stützstrümpfen und anderen Bandagen ist eine Therapieform, die durch lokalen Druck auf das venöse Beingefäßsystem zu einer Steigerung der Fließgeschwindigkeit des Blutes führt. Sie ist eine der wichtigsten therapeutischen Maßnahmen bei der Behandlung von Venenerkrankungen in der Phlebologie (medizinisches Fachgebiet, das sich mit der Erkennung und Behandlung von Gefäßerkrankungen beschäftigt).

In der nichtinvasiven Behandlung der symptomatischen Venenkrankheiten ist die Kompressionstherapie mit medizinischen Kompressionsstrümpfen der Goldstandard.

Die Kompressionstherapie wird auch bei Lymphabflussstörungen sowie bei Operations- und Verbrennungsnarben eingesetzt. Neben den medizinischen Stützstrümpfen gibt es Kompressionsverbände, medizinische Thromboseprophylaxestrümpfe (MTPS) und die sogenannte intermittierende pneumatische Kompression (IPK; auch: apparative intermittierende Kompression, AIK) auf die hier nur kurz eingegangen wird.

Indikationen (Anwendungsgebiete)

  • Adipositas mit funktioneller venöser Insuffizienz
  • Chronische venöse Insuffizienz (CVI)/Leitveneninsuffizienz – ist definiert als eine Hypertonie (Hochdruck) im venösen System, die zu Veränderungen der Venen und der Haut führt. Die CVI führt zu einer venösen Abflussbehinderung sowie zu Mikrozirkulationsstörungen und trophischen Veränderungen im betroffenen Bereich (Unterschenkel und Füße).
  • Chronische Wunden (Wundbehandlung)
  • Entzündliche Dermatosen (Hauterkrankungen) der Beine
  • Lipödeme – chronisch progrediente, dysproportionale, symmetrische Unterhautfettvermehrung (ab Stadium II)
  • Lymphödem – Vermehrung von Gewebeflüssigkeit, die durch eine Schädigung des Lymphsystems bedingt ist
  • Narbenbehandlung
  • Ödeme
    • berufsbedingte Ödeme (Steh-, Sitzberufe)
    • medikamentösbedingte Ödeme, wenn keine Umstellung möglich ist
    • Ödeme während der Schwangerschaft
    • Ödeme bzw. Stauungszeichen bei Immobilität (z. B. Bettruhe)
    • postoperative und posttraumatische Ödemen
    • zyklisch-idiopathische Ödemen – Wassereinlagerungen im Gewebe (Ödeme), unbekannter Genese (Herkunft)
  • Postthrombotisches Syndrom (PTS) (alle Stadien) – dauerhafter Folgeschaden nach einer Thrombose im tiefen Venensystem
  • Stauungsbeschwerden in der Schwangerschaft
  • Thrombose
    • Armvenenthrombose
    • Tiefe Beinvenenthrombose (TBVT) bzw. tiefe Venenthrombose (TVT)
  • Thrombophlebitis – akute Thrombose der oberflächlichen Venen mit Entzündung
  • Thromboseprophylaxe – vorbeugende Maßnahmen gegen Thrombose; z. B. postoperativ, Langstreckenflug etc.
  • Ulkusprävention – im Rahmen einer schweren Erkrankung der Venen kann eine offene, schlecht heilende Wunde auftreten (Ulkus genannt)  (Prävention des Ulcus-cruris-venosum-Rezidivs)
  • Ulcus cruris venosum – Ulkus, das in Folge einer chronisch venösen Insuffizienz (CVI) entstanden ist (= venöses Ulkus) inkl. Schmerzreduktion
  • Varikose (alle Stadien)
    • Primäre Varikose – degenerative Wanderkrankung der epifaszialen, intrafaszialen und transfaszialen Venen der Beine (Bindegewebeschwäche)
    • Sekundäre Varikose – ausgedehnte Bildung von Varizen als Folge einer anderen Venenerkrankung
    • Varizen während der Schwangerschaft
  • Zustand nach
    • ausgeheilter Phlebitis (Venenentzündung)
    • Thrombose
    • venenchirurgischen Eingriffen
    • Verbrennungen

Kontraindikationen (Gegenanzeigen)

Absolute Kontraindikationen

  • Dekompensierte Herzinsuffizienz (Herzschwäche)
  • Fortgeschrittene periphere arterielle Verschlusskrankheit* (pAVK; fortschreitende Stenosierung (Verengung) bzw. Okklusion (Verschluss) der die Arme/ (häufiger) Beine versorgenden Arterien, meist aufgrund einer Atherosklerose (Arteriosklerose, Arterienverkalkung))
  • Phlegmasia coerulea dolens – akuter thrombotischer Verschluss aller Venen eines Beines, der zum Verlust der Extremität führen kann
  • Septische Phlebitis – Entzündung der oberflächlichen Venen, die mit einer Sepsis (Blutvergiftung) einhergeht

*Fortgeschrittene pAVK (kritische Ischämie) liegt vor, wenn mindestens einer der folgenden Parameter gemessen wurde: Knöchel-Arm-Index (ABI) < 0,5, Knöchelarteriendruck < 60 mmHg, Zehendruck < 30 mmHg, transkutane Sauerstoffpartialdruckmessung (tcpO2) < 20 mmHg am Fußrücken.

Relative Kontraindikationen

  • Ausgeprägte nässende Dermatosen (Hauterkrankung)
  • Chronische kompensierte Herzinsuffizienz
  • Leichte bis mäßig ausgeprägte periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK)
  • Fortgeschrittene periphere Polyneuropathie (Oberbegriff für Erkrankungen des peripheren Nervensystems, die mit chronischen Störungen der peripheren Nerven oder Anteilen von Nerven einhergehen)
  • Floride Infektionskrankheiten, z. B. Initialphase eines Erysipels (nicht eitrige Infektion der Haut und des Subkutangewebes (Unterhaut), die im überwiegenden Fall durch ß-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A (GAS (Gruppe A-Streptokokken); Streptococcus pyogenes) hervorgerufen wird)
  • Schmerzen durch die Therapie
  • Schwere Sensibilitätsstörung der Extremität
  • Unverträglichkeit bzw. Allergie auf eingesetzte Materialien 

Das Verfahren

Im Zentrum der Behandlung mit der Kompressionstherapie steht meist die untere Extremität, da es hier zu Erkrankungen kommt, die unter anderem durch die Schwerkraft begünstigt werden. Hierzu gehören sowohl Veränderungen der venösen Gefäße, die oft auf eine Venenklappeninsuffizienz (Venenklappenschwäche) zurückzuführen sind, als auch Ödeme (Wassereinlagerungen im Gewebe). An der oberen Extremität kann es z. B. nach einer Brustkrebsoperation mit Ausräumung der Lymphknoten zu einer Lymphstauung und damit zu einem Lymphödem kommen, das mithilfe einer Kompressionstherapie behandelt werden kann. Außerdem ist die Kompressionstherapie bei der postoperativen Versorgung der Patienten nach einem chirurgischen Eingriff am Venensystem unverzichtbar.

Vor allem die Venenklappeninsuffizienz führt zu einem Rückstau des venösen Blutes in den Beinen. Diese Stase vermindert den Blutrückstrom zum Herzen, verursacht sekundär Ödeme und erhöht die Thrombosegefahr. Eine Thrombose ist ein kompletter oder teilweiser Verschluss eines arteriellen oder venösen Gefäßes durch eine intravasale (innerhalb des Gefäßes) Blutgerinnung. Die Gefahr einer Thrombose in den tiefen Beinvenen ist unter anderem eine Thromboembolie (ein Blutgerinnsel, das sich aus einem herznahen venösen Gefäß löst und über den Blutkreislauf z. B. bis in die Lungengefäße gelangt, dort die wichtige Blutzufuhr unterbrechen kann und zu einer Lungenembolie führt). Die Kompressionstherapie wirkt diesem Prozess entgegen und kann sowohl prophylaktisch als auch therapeutisch eingesetzt werden.

Folgende Wirkungen sind der Kompressionstherapie zuzuschreiben:

  • Erhöhung des Gewebedrucks – führt zur verstärken Rückresorption von Ödemen
  • Kompression oberflächlicher Venen
  • Beschleunigung des venösen Blutflusses
  • Verminderung des venösen Durchmessers
  • Verstärkung der Muskelpumpe – die Muskelpumpe trägt maßgeblich zum Rücktransport des venösen Blutes zum Herzen bei
  • Wirkung auf die fibrinolytische Funktion (Fibrinspaltung bzw. Auflösung von Blutgerinnseln) des Endothels (die Oberfläche der Gefäße wird als Endothel bezeichnet; sie besitzt die Eigenschaft, der Bildung von Blutgerinnseln entgegenzuwirken)

Im Folgenden werden die Varianten der Kompressionstherapie aufgezeigt:

  • Kompressionsverbände/phlebologischer Kompressionsverband (PKV) – Diese Verbände werden auch zur Vor- und Nachbehandlung in der Venenchirurgie eingesetzt. Aufgrund der unterschiedlichen Materialeigenschaften sollte der behandelnde Arzt mit den Varianten der Verbände vertraut sein: Es gibt halbstarre Verbände (Zinkleimbinde), elastische Verbände (aus Viskose, Baumwolle und Polyamid) und Klebe- und Haftverbände, die als Wechselverbände und Dauerverbände verwendet werden.
    Kompressionsverbände werden entsprechend einer internationalen Konsensus-Empfehlung in verschiedene Kategorien eingeteilt:
    • Leicht: < 20 mmHg
    • Mittelstark: ≥ 20-40 mmHg
    • Stark: ≥ 40-60 mmHg
    • Sehr stark: 60 mmHg
  • Medizinische Kompressionstrümpfe (MKS) – Diese Strümpfe üben eine konzentrischen Druck auf das Bein aus, der von distal (rumpffern) nach proximal (rumpfnah) abnimmt. Sie weisen einen kontrollierten Druck von mindestens 15 mmHg im Fesselbereich auf und werden eingesetzt, um die pathologischen (krankheitsbedingten) Umstände der Venenerkrankungen zu verbessern oder zumindest eine Verschlechterung zu verhindern. 
    Die MKS werden insbesondere bei Patienten mit phlebologischen und lymphologischen Erkrankungen eingesetzt. Außerdem werden sie bei Verbrennungen und zur Narbenbehandlung benutzt.
    Die Strümpfe können nach Kompressionsklassen unterschieden werden (s. Tabelle: Kompressionsklassen, Druck und Therapie):
  • Medizinische Thromboseprophylaxestrümpfe (MTPS) – Diese Strümpfe werden zur Risikominimierung der Phlebothrombose (Blutgerinnsel in den tiefen Beinvenen) bei bettlägerigen Patienten eingesetzt. Sie dienen auch der prä-, intra- und postoperativen Thromboseprophylaxe sowie der Thromboseprophylaxe während der Schwangerschaft und nach der Geburt.
  • Stützstrümpfe – Stützstrümpfe sind im Handel frei erhältlich und dienen vor allem der Verbesserung des allgemeinen Wohlbefindens. Sie wirken schweren Beinen und hydrostatischen Ödemen (Beinschwellungen z. B. durch langes Stehen) ohne Krankheitswert vor.
  • Intermittierende pneumatische Kompression (IPK; auch: apparative intermittierende Kompression, AIK) – Bei dieser Behandlung befindet sich die Extremität in einer Manschette, die von außen Überdruck in rhythmischer Abfolge aufbaut. Dies bewirkt eine mechanische Austreibung von Ödemen und beschleunigt den Blutfluss. Die Kompression wird zur Thromboseprophylaxe, bei Ödemen und auch bei der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK) eingesetzt.

Kompressionsklassen, Druck und Therapie

Kompressionsklasse Druck im Fesselbereich Therapie
18-21 mmHg  beginnendes Venenleiden
II 23-32 mmHg  Stammvarikosen und postthrombotisches Syndrom (PTS)
III 34-46 mmHg  Lip- und Lymphödem und PTS
IV > 49 mmHg  schweres Lymphödem

Die Kompressionstherapie mit Stützstrümpfen und anderen Bandagen gehört heute zur Standardtherapie bei venösen Erkrankungen und ist nach venenchirurgischen Eingriffen unverzichtbar.

Mögliche Nebenwirkungen

  • Zu den häufigen Nebenwirkungen der Kompressionstherapie gehören Hauttrockenheit (Xerodermie) und Pruritus (Juckreiz). Vorbeugung durch eine konsequente Hautpflege mit Basistherapeutika, die z. B. 5 % Urea enthalten.

Weitere Hinweise

  • Eine Cochrane Metaanalyse kommt bzgl. der Kompressionstherapie des Ulcus cruris venosum zu folgenden evidenten Aussagen:
    • unter Kompressionstherapie schnellere Abheilung, als wenn keine Kompressionstherapie eingesetzt wird
    • Kompressionstherapie mit einer Komponente ist weniger effektiv im Vergleich mit Kompressionstherapien mit mehreren Komponenten
    • 2-Komponentenverbände sind vergleichbar effektiv wie 4‑Komponentenverbänden
    • Verbände mit Kurzzugbandagen sind weniger effektiv als eine Kompressionstherapie mit Strümpfen höherer Kompressionsklassen

Literatur

  1. Hach W: Venenchirurgie: Leitfaden für Gefäßchirurgen, Angiologen, Dermatologen und Phlebologen. Schattauer Verlag 2007
  2. O’Meara S, Cullum N, Nelson EA, Dumville JC. Compression for venous leg ulcers. Cochrane Database Syst Rev. 2012 Nov 14;11:CD000265. doi: 10.1002/14651858.CD000265.pub3.

Leitlinien

  1. S2k-Leitlinie: Medizinische Kompressionstherapie der Extremitäten mit Medizinischem Kompressionsstrumpf (MKS), Phlebologischem Kompressionsverband (PKV) und Medizinischen adaptiven Kompressionssystemen (MAK). (AWMF-Registernummer: 037 - 005), Dezember 2018 Langfassung

     
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