Pathogenese (Krankheitsentstehung)
Beim Lymphödem kommt es durch eine Schädigung des Lymphsystems, die angeboren oder erworben sein kann, zu einer Vermehrung der interstitiellen (von lat. interstitium = „Zwischenraum“) Gewebsflüssigkeit. Im weiteren Verlauf der Erkrankung kommt es zu einer Gewebsalteration (Gewebsveränderung), mit einer Zunahme von Binde- und Fettgewebe sowie Veränderungen der extrazellulären Matrix/Strukturbestandteile eines Gewebes (Extrazellularmatrix, Interzellularsubstanz, EZM, ECM: Glykosaminoglykane, Hyaluronsäure, Kollagen).
Man kann das primäre vom sekundären Lymphödem unterscheiden.
Ätiologie (Ursachen) des primären Lymphödems
Biographische Ursachen
- Genetische Belastung durch Eltern, Großeltern
- Genetische Erkrankungen
- Nonne-Milroy-Syndrom (primäre, kongenitale Lymphödem (PCL) Typ I) – genetische Erkrankung mit autosomal-dominantem Erbgang mit Mutationen im FLT4-Gen auf Chromosom 5q35.3; chronisches, schmerzloses Lymphödem der unteren und in seltenen Fällen auch oberen Extremitäten; Ödeme (Wassereinlagerungen) bestehen meistens bereits bei Geburt oder manifestieren sich in den ersten Lebensmonaten
- Genetische Erkrankungen
Krankheitsbedingte Ursachen
Angeborene Fehlbildungen, Deformitäten und Chromosomenanomalien (Q00-Q99)
- Atresie/Aplasie (Fehl-/Nichtentwicklung) des Lymphsystems
- Meige-Syndrom (Lymphoedema praecox) – charakteristisch ist die Kombination von Blepharospasmus (ein- oder beidseitiger Lidkrampf, der durch eine Dauerkontraktion des Musculus orbicularis oculi entsteht) und oromandibulärer Dystonie (Oberbegriff für dystone Bewegungen der Kaumuskulatur und der Muskulatur der unteren (kaudalen) Gesichtshälfte); Ödeme (Wassereinlagerungen) bilden sich erst nach der Pubertät aus
Bei einzelnen Milroy- und Meige-Patienten entwickeln sich die Schwellungen allerdings erst nach dem 35. Lebensjahr (Lymphoedema tarda).
Herzkreislaufsystem (I00-I99)
- Aplasie/Atresie des Lymphsystems
- Hyperplasie des Lymphsystems ‒ abnorme Vermehrung von Lymphsystem-spezifischen Zellen
- Hypoplasie des Lymphsystems ‒ Unterentwicklung des Lymphsystems
- Lymphknotenfibrose ‒ Verhärtung der Lymphknoten
- Lymphknoten-Agenesie
Ätiologie (Ursachen) des sekundären Lymphödems
Verhaltensbedingte Ursachen
- Übergewicht (BMI ≥ 25; Adipositas)
Krankheitsbedingte Ursachen
Herzkreislaufsystem (I00-I99)
- Chronische venöse Insuffizienz (CVI) ‒ chronische Venenschwäche der unteren Extremitäten
- Kapillaropathien ‒ Veränderungen der Gefäßendstrecken, die bei diversen Erkrankungen auftreten
- Lymphknotenfibrose ‒ Verhärtung der Lymphknoten
Infektiöse und parasitäre Krankheiten (A00-B99)
- Parasitosen ‒ Infektionen mit Parasiten; führen zur Elephantiasis
- Zustand nach Infektionen (postinfektiös), wie das Erysipel oder rezidivierende Thrombophlebitiden ‒ Entzündung von oberflächlichen Venen
Mund, Ösophagus (Speiseröhre), Magen und Darm (K00-K67; K90-K93)
- Morbus Crohn ‒ chronisch-entzündliche Darmerkrankung (CED); verläuft meist in Schüben und kann den gesamten Verdauungstrakt befallen; charakterisierend ist der segmentale Befall der Darmmukosa (Darmschleimhaut), das heißt es können mehrere Darmabschnitte befallen sein, die durch gesunde Abschnitte voneinander voneinander getrennt sind.
Neubildungen – Tumorerkrankungen (C00-D48)
- Maligne (bösartige) Neubildungen, häufig beim Mammakarzinom (Brustkrebs; postoperatives Lymphödem)
Verletzungen, Vergiftungen und andere Folgen äußerer Ursachen (S00-T98)
- Zustand nach größeren chirurgischen Eingriffen
- Zustand nach Verletzungen (posttraumatisch), nicht näher bezeichnet
Operationen
- Zustand nach Lymphadenektomie (Lymphknotenentfernung)
- Zustand nach Venenentnahme zur Bypasschirurgie
Strahlentherapie
- Zustand nach Radiatio (Strahlentherapie) – insbesondere bei Bestrahlung regionäre Lymphknoten
Weitere Ursachen
- Artifiziell (künstlich zugefügt)