Ursachen
Halsschlagaderverengung (extracranielle Carotisstenose)

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Der Carotisstenose liegt in mehr als 90 % der Fälle eine Atherosklerose (Arteriosklerose, Arterienverkalkung) zugrunde.

Kleine Läsionen (Verletzung), die bereits im jugendlichen Alter in der Arterienwand vorliegen können, bilden den symptomfreien Anfang der Atherosklerose.

An erster Stelle steht ein Endothelzellschaden (sogenannte endotheliale Dysfunktion; Endothel = zum Gefäßlumen hin gerichteten Zellen der innersten Wandschicht) durch ein erhöhtes Angebot an oxidiertem LDL, (Low Density Lipoprotein; deutsch: Lipoprotein niederer Dichte) insbesondere durch kleine, dichte LDL-Partikel ("small dense LDL"). Die weiteren Schritte der Atherogenese (Entstehung der Arterienverkalkung) sind:

  • Anlagerung von Monozyten (gehören zu den weißen Blutkörperchen; Vorläufer der Makrophagen, die als „Fresszellen“ eine wichtige Rolle bei der Immunabwehr spielen) und Thrombozyten (Blutplättchen; Blutzellen, die zur Gerinnung des Blutes wichtig sind) an das dysfunktionale Endothel
  • Einwanderung von Monozyten und Thrombozyten in die Intima (innerste Schicht der Gefäßwand)
  • Monozyten werden zu Makrophagen und nehmen LDL-Partikel auf
  • Aus den Makrophagen entstehen Schaumzellen (foam-cells), die sich in Intima und Media (mittlere Schicht der Arterien, je nach Gefäßtyp, aus einer mehr oder weniger ausgeprägten Muskelschicht bestehend) einlagern und zu Entzündungsreaktionen führen (→ Fettstreifen; fatty streaks)
  • Endothelzellen und Monozyten produzieren vermehrt Zytokine und Wachstumsfaktoren (→ Proliferation von glatten Muskelzellen der Media)
  • Migration der glatten Muskelzellen in die Intima und Synthese von Kollagen und Proteoglykane (extrazelluläre Matrix; Extrazellularmatrix, Interzellularsubstanz, EZM, ECM) führt zur Entstehung fibröser Plaques (krankhafte Ablagerungen an den Gefäßwänden).
  • Untergang von Schaumzellen in den fibrösen Plaques (→ Freisetzung von Lipiden und Cholesterin); durch Ca2+-Einlagerung entstehen Cholesterinkristalle
  • Die Media ist im Endstadium von dem oben genannten Prozess komplett betroffen und verliert damit seine Elastizität

Besonders gefährlich sind instabile Plaques, deren Ruptur zu einem akuten Gefäßverschluss führen kann (z. B. Apoplex/Schlaganfall). 

Bevorzugte Lokalisation einer Carotisstenose sind der Carotisbulbus (Aufzweigungsbereich) und der Abgangsbereich der A. carotis interna (ACI; innere Halsschlagader).

In der Pathogenese steht aktuell die Adventitia (Gewebe, welches das Gefäß nach außen hin umgibt) im Mittelpunkt der Forschung. Dieses ist sinnvoll, weil nur so der differenzielle Befall einzelner Stromgebiete verständlich wird. Ein weiterer Forschungsschwerpunkt in der Atherosklerose-Forschung ist die Untersuchung mikrobiologischer Ursachen einer Atherosklerose. 
Fragen die nach Antworten suchen sind: Was bewirkt eine Infektion mit den Vasa vasorum (kleinste Arterien und Venen, die man in der Wand größerer Blutgefäße findet) und warum werden sie geschädigt? Warum werden bei einer lokalisierten Infektion fokusferne Gefäße wie die Aorta (Hauptschlagader) betroffen? Wie können Umweltnoxen, Infektionen und andere Faktoren denselben Schädigungsmechanismus auslösen [6]?

Weiteres zum Thema Pathogenese der Atherosklerose s. u. Atherosklerose/Ursachen.

Ätiologie (Ursachen)

Biographische Ursachen

  • Familiengeschichte – Koronare Herzkrankheit (KHK; Herzkranzgefäßerkrankung) oder Myokardinfarkt (Herzinfarkt) in enger Verwandtschaftsbeziehung (1. Grades) insbesondere bei Erkrankung der Männer vor dem 55. Lebensjahr beziehungsweise bei Frauen vor dem 65. Lebensjahr; Vorhandensein einer Atherosklerose-bedingten Gefäßerkrankung
  • Lebensalter – zunehmendes Alter 

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Ernährung
    • Fehl- und Überernährung, z. B. zu hohe Kalorienzufuhr und fettreiche Ernährung (hohe Aufnahme von gesättigten Fettsäuren)
    • Mikronährstoffmangel (Vitalstoffe) – siehe Atherosklerose/Prävention mit Mikronährstoffen
  • Genussmittelkonsum
    • Alkohol (Frau: > 40 g/Tag; Mann: > 60 g/Tag) – (Hypertriglyzeridämie)
    • Tabak (Rauchen) [1, 2] – Rauchen ist einer der zentralen Risikofaktoren für die Atherosklerose und damit für alle kardiovaskuläre Erkrankungen
  • Körperliche Aktivität
    • Bewegungsmangel
  • Psycho-soziale Situation
    • Psychische Belastung
    • Stress
  • Schlafqualität
    • Schlafstörungen im Klimakterium [5]
    • Unregelmäßiger Schlaf (unterschiedlich lang bzw. unterschiedliche Zeiten des Einschlafens) [7]:
      • Variation der Schlafdauer um mehr als 2 Stunden: 1,12-fach höhere Wahrscheinlichkeit von Plaques in der Halsschlagader und 1,91-mal häufiger anomale Resultate beim Knöchel-Arm-Index (< 0,9).
      • unregelmäßigen Einschlafzeiten, die im Wochenverlauf um mehr als 90 Minuten variierten: 1,43-mal häufiger hohe Calcium-Scores als diejenigen, die immer etwa um die gleiche Zeit (Variation < 30 Minuten) einschliefen.
  • Übergewicht (BMI ≥ 25; Adipositas)
  • Androide Körperfettverteilung, das heißt abdominales/viszerales, stammbetontes, zentrales Körperfett (Apfeltyp) – es liegt ein hoher Taillenumfang bzw. ein erhöhter Taille-Hüft-Quotient (THQ; englisch: waist-to-hip-ratio (WHR)) vor; vermehrtes Bauchfett wirkt stark atherogen und fördert inflammatorische Prozesse ("Entzündungsprozesse")
    Bei der Messung des Taillenumfangs gemäß der Richtlinie der International Diabetes Federation (IDF, 2005) gelten folgende Normwerte:
    • Männer < 94 cm
    • Frauen < 80 cm
    Die Deutsche Adipositas-Gesellschaft veröffentlichte 2006 etwas moderatere Zahlen für den Taillenumfang: 102 cm bei Männern und 88 cm bei Frauen.

Krankheitsbedingte Ursachen

  • Diabetes mellitus (Insulinresistenz)
  • Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion) – diese geht im Regelfall mit einem erhöhten Cholesterin-Serumspiegel einher; auch die latente (subklinische) Hypothyreose ist ein Risikofaktor für die Atherosklerose [3]
  • Osteoporose [4] – signifikanter Risikofaktor für eine koronare Herzkrankheit (KHK): dieses erklärt sich durch die Tatsache, dass die sogenannten Osteoklasten (Knochen-abbauende Zellen) – ebenso die Sklerose (Verkalkung) der Arterien stimulieren. 
  • Depression
  • Parodontitis (Entzündung des Zahnhalteapparates)
  • Metabolisches Syndrom
  • Arterielle Hypertonie (Bluthochdruck)

Labordiagnosen – Laborparameter, die als unabhängige Risikofaktoren gelten

  • Apolipoprotein A1
  • CRP (C-reaktives Protein)
  • Fibrinogen
  • Homocystein
  • Hyperlipidämie/Dyslipidämie – Hypercholesterinämie; Hypertriglyzeridämie
  • Lipoprotein (a)

Röntgenstrahlen

  • Radiatio/Strahlentherapie im HNO-Bereich (radiogene Carotisläsion)

Weitere Ursachen

  • Infektionen mit Chlamydien
  • Chronische Infektionen – beispielsweise Urogenitaltrakt, Respirationstrakt

Literatur

  1. Deutsches Krebsforschungszentrum Tabakatlas Deutschland 2015. Heidelberg
  2. Secretan B, Straif K, Baan R et al.: A review of human carcinogens – Part E: tobacco, areca nut, alcohol, coal smoke, and salted fish. Lancet Oncol. 2009 Nov;10(11):1033-4.
  3. Hak AE, Pols HA, Visser TJ et al.: Subclinical hypothyroidism is an independent risk factor for atherosclerosis and myocardial infarction in elderly women: The Rotterdam Study. Ann Intern Med 2000 (15. Februar); 132: 270-8
  4. Nawroth P, Pirzer R, Fohr B, Schilling T, Ziegler R, Bierhaus A, Christian Kasperk C: Osteoporose und koronare Herzkrankheit – zwei Seiten der gleichen Münze? Osteoporosis and Cardiovascular Disease – Two Sides of the Same Coin? Medizinische Klinik Volume 98, Number 8, 437-446, doi: 10.1007/s00063-003-1283-8
  5. Thurston RS et al.: Sleep Characteristics and Carotid Atherosclerosis among Midlife Women. Abstract S-16, North American Menopause Society (NAMS) Annual Meeting, Orlando (Florida), 5.–8. Oktober 2016
  6. Haverich A, Kreipe HH: Ursachenforschung Arteriosklerose: Warum wir die KHK nicht verstehen. Dtsch Arztebl 2016; 113(10): A-426 / B-358 / C-358 
  7. Full KM et al.: Sleep Irregularity and Subclinical Markers of Cardiovascular Disease: The Multi‐Ethnic Study of Atherosclerosis Journal of the American Heart Association. 2023;12:e027361 https://doi.org/10.1161/JAHA.122.027361
     
Wir helfen Ihnen in jeder Lebenslage
Die auf unserer Homepage für Sie bereitgestellten Gesundheits- und Medizininformationen ersetzen nicht die professionelle Beratung oder Behandlung durch einen approbierten Arzt.
DocMedicus Suche

 
   -
   -
   -
   -
   -
   -
   -
   -
   -
   -
   -
   -
   -
   -
ArztOnline.jpg
 
DocMedicus                          
Gesundheitsportal

Unsere Partner DocMedicus Verlag