Kognitives Training

Mit zunehmendem Alter nimmt die geistige Leistungsfähigkeit ab, denn auch das Gehirn ist Alterungsprozessen unterworfen. Beschleunigt wird diese Entwicklung durch kardiovaskuläre Erkrankungen, Stoffwechselstörungen und neurodegenerative Erkrankungen. Davon betroffen sind die Aufmerksamkeit, das Gedächtnis und die Intelligenz.

Wenn es um die Intelligenz geht, unterscheidet man zwischen der:

  • Kristallinen Intelligenz – hierunter versteht man durch Kultur und Bildung erworbenes Wissen (z. B. historische Fakten), sprachliches Wissen und Verstehen sowie das Bilden von Analogien zwischen den erworbenen Wissenselementen.
  • Fluiden Intelligenz – Fähigkeit zur Lösung neuartiger Probleme, Mustererkennung sowie zum abstrakten Denken

Die kristalline Intelligenz kann bis ins hohe Alter durch geistige Aktivität erhalten bzw. gesteigert werden. Erst ab ca. dem 65. Lebensjahr findet ein Rückgang statt [3].

Die fluide Intelligenz erreicht ungefähr ab dem 20. Lebensjahr ihre Spitze und beginnt danach kontinuierlich zu sinken [4].

Weitere Veränderungen sind:

  • Die Geschwindigkeit der Informationsverarbeitung sinkt.
  • Das Denken an sich wird langsamer.
  • Die Leistungsfähigkeit des Arbeitsgedächtnisses nimmt ab.
  • Das Quellengedächtnis, das den Kontext von Erinnerungen speichert, nimmt ebenfalls ab.

Während das Kurzzeitgedächtnis (Informationen werden hier zwischen 20 und 30 Sekunden gespeichert) bis ins 8. Lebensjahrzehnt nur geringfügig zurückgeht [5], lässt vor allem der episodische Teil (Speicherung von persönlichen Erlebnissen und Erfahrungen) des Langzeitgedächtnisses ab dem mittleren Lebensalter nach [6, 7, 9]. Der semantische Teil des Langzeitgedächtnisses (zuständig für Speicherung von generellen Fakten und Weltwissen – z. B. Bundeshauptstadt von Österreich) sinkt zwar im Alter ebenfalls [6], bleibt jedoch dann konstant bzw. steigt [7], wenn die Informationen autobiographisch sind. Autobiographische Informationen sind diejenigen, die eine maßgebliche Bedeutung in der Biographie der Person spielen. Auch im non-deklarativen (impliziten) Teil des Langzeitgedächtnisses, welche das unterbewusste Abrufen von Gefühls- und Verhaltensmustern sowie Prozeduren (z. B. Fahrradfahren) betrifft, finden im Alter Rückgänge statt [8].

Ebenso treten Veränderungen im Hippocampus auf – dort finden altersbedingte Volumenverluste statt [9]. Es ist der Hippocampus, der im Rahmen des Schlafes am Tag aufgenommenes Wissen in das Langzeitgedächtnis überträgt.

Merkmale einer leichten kognitiven Störung (LKB; engl. mild cognitive impairment, MCI) sind:

  • Schwierigkeiten bei der Erledigung komplexer Aufgaben
  • Probleme des episodischen Gedächtnisses: Fakten und Ereignisse, die entweder zur eigenen Biographie gehören oder das sogenannte Weltwissen eines Menschen ausmachen
  • Probleme bei Terminabsprachen
  • Wortfindungsstörungen
  • Alltagsfunktionen nicht oder nur minimal (bei komplexen Handlungen) beeinträchtigt

Durch kognitives Training können Patienten diesen Veränderungen entgegentreten.
Das Gehirn ist wie ein Muskel, den man trainieren kann. Neuroplastizität ermöglicht Lernprogramme. 

Kognitive Trainingsprogramme beziehen sich dabei auf kognitionsstützende Basisfunktionen:

  • Aufmerksamkeit
  • Merkfähigkeit und Gedächtnis (semantisches und episodisches Gedächtnis)
  • Visuell-räumliche Wahrnehmung
  • Exekutive Funktionen (dienen der Steuerung von Gedanken, Gefühlen und Verhaltensweisen)

Indikationen (Anwendungsgebiete)

  • Leichte kognitive Beeinträchtigung
  • Demenzerkrankungen (um den Verlauf zu verlangsamen, soweit dieses möglich ist)
  • Hirnleistungsstörungen im Alter
  • Kinder mit Aufmerksamkeitsdefizitstörungen und/oder Hyperaktivität (ADS/ADHS)
  • Kinder und Erwachsene mit Autismusspektrumsstörung [10].
  • Rehabilitation von Hirnleistungsstörungen

Als besonders effektiv haben sich Trainingsprogramme erwiesen, die eine Kombination aus kognitiven Aufgaben und feinmotorischen Anforderungen darstellen. Des Weiteren sollte das Training alltagsbezogen sein. Es sollte sich an die mentalen Kapazitäten des Patienten anpassen, ihn jedoch keinesfalls unterfordern. Ungezieltes „Gehirnjogging“ sowie reines Wiederholen sind eher unwirksam.

Sind folgende Voraussetzungen erfüllt, können mit dem kognitiven Training eine Vielzahl von mentalen Fähigkeiten erhalten bzw. im Laufe des Alterungsprozesses trainiert werden. Dieses betrifft unter anderem die Aufmerksamkeitsfähigkeit. Achtsamkeitsübungen tragen dazu bei, dass die Umgebung bewusster wahrgenommen wird und mehr Aufmerksamkeit erhält.

Mit kognitivem Training kann auf der Gedächtnisebene der höchste Einfluss auf das Arbeitsgedächtnis genommen werden. Dieser positive Effekt besteht nur dann langfristig, wenn das kognitive Training dauerhaft durchgeführt wird [12]. Dieser Effekt existiert ebenfalls bei Patienten mit milder kognitiver Beeinträchtigung [12].

Das Arbeitsgedächtnis ist Teil des Langzeitgedächtnisses, das Informationen vorübergehend speichert und gleichzeitig dazu fähig ist, diese willentlich gezielt zu manipulieren. Diese Manipulations- bzw. Modulierungsfähigkeit persönlichen Wissens ermöglicht die Erstellung eines differenzierten Planes basierend auf Lebenserfahrungen, das Lösen komplexer Sachverhältnisse sowie Lernstrategien [11].Psychologen veröffentlichten in der Fachzeitschrift „Journal of Cognitive Enhancement“ eine Studie, die zeigen konnte, dass gezieltes Trainieren von Gedächtnisaufgaben für das Arbeitsgedächtnis sich positiv auf die Bearbeitung neuer Aufgaben auswirkt, vor allem, wenn diese den Trainingsaufgaben ähnlich sind. Dieses führte dazu, dass die Trainingsgruppe nicht nur ihre Leistung in den Trainingsaufgaben verbesserte, sondern sogar in untrainierten Transferaufgaben. Die Autorin Strobach fasst zusammen „Für die untersuchten Bereiche des Arbeitsgedächtnisses und die gewählten Aufgaben konnten wir mit unserer Studie systematisch zeigen, dass sich das Trainieren von kognitiven Aufgaben positiv auf die Leistung in ähnlichen, aber auch einigen unähnlichen Aufgaben auswirkt [1].“

Die beim kognitiven Training gestellten Aufgaben sollten in einem zeitlich eingegrenzten Rahmen gestellt werden. So wird auf Geschwindigkeit von Informationsprozessierung positiv eingewirkt. Auch sollen sie die Kreativität der Menschen fördern (z. B. Formelerstellung oder Erarbeitung eines alternativen Lebenskonzepts). Der Proband muss dadurch außerhalb der gewohnten Bahnen denken und steigert seine kognitive Flexibilität.  Die Fähigkeit, kognitiv kreativ zu denken, wird ebenfalls bei jenen Aufgaben gefördert, bei welchen Mustererkennung involviert ist.

Die geistige Fitness hängt auch von dem Gesundheitsverhalten wie Rauchen, Alkoholkonsum, Ernährung, körperlicher Fitness, Körpergewicht und seelischer Ausgeglichenheit ab.

Moderates aerobes Training kann bei älteren Erwachsenen bereits nach 6 Monaten die Hirnleistung verbessern. Verbessert wurden die exekutive Funktion, zu denen auch die geistige Flexibilität und die Selbstkorrektur gehören, um 5,7 % und die Sprachfertigkeit um 2,4 % [2].

Literatur

  1. Strobach T, Huestegge L: Evaluating the effectiveness of commercial brain game training with working-memory tasks. Journal of Cognitive Enhancement [Online Ressource; Open Access]. 2017 doi: 10.1007/s41465-017-0053-0
  2. Guadagni V et al.: Aerobic exercise improves cognition and cerebrovascular regulation in older adults. Neurology May 13, 2020, doi: https://doi.org/10.1212/WNL.0000000000009478
  3. Cavanaugh J; Blanchard-Fields, F (2006). Adult development and aging (5th ed.). Belmont, CA: Wadsworth Publishing/Thomson Learning. ISBN 978-0-534-52066-3.[page needed]
  4. Cacioppo JT, Freberg L: Discovering Psychology: The Science of Mind. Cengage Learning, 2012, p. 448
  5. Ishihara O et al.: The influence of aging on short-term and long-term memory in the continuous recognition paradigm. Shinrigaku Kenkyu 2002 Feb;72(6):516-21. doi: 10.4992/jjpsy.72.516.
  6. Park et al.: Theories of Memory and Aging: A Look at the Past and a Glimpse of the Future. J Gerontol B Psychol Sci Soc Sci. 2017 Jan;72(1):82-90. doi: 10.1093/geronb/gbw066.
  7. Meléndez J et al.: Are semantic and episodic autobiographical memories influenced by the life period remembered? Comparison of young and older adults. Eur J Ageing. 2018 Dec; 15(4): 417-424. Published online 2018 Jan 19. doi: 10.1007/s10433-018-0457-4
  8. Chiarello C et al.: Adult age differences in implicit and explicit memory: time course and encoding effects. Psychol Aging . 1988 Dec;3(4):358-66. doi: 10.1037//0882-7974.3.4.358.
  9. O’Shea et al.: Cognitive Aging and the Hippocampus in Older Adults. Front Aging Neurosci. 2016; 8: 298. Published online 2016 Dec 8. doi: 10.3389/fnagi.2016.00298
  10. Each M et al.: Cognitive Enhancement Therapy for Adults with Autism Spectrum Disorder: Results of an 18-Month Feasibility Study. J Autism Dev Disord. Author manuscript; available in PMC 2014 Dec 1. Published in final edited form as: J Autism Dev Disord. 2013 Dec; 43(12): 10.1007/s10803-013-1834-7. doi: 10.1007/s10803-013-1834-7
  11. Nelson C et al.: Working Memory Underpins Cognitive Development, Learning, and Education. Educ Psychol Rev. 2014;26:197-223 doi: 10.1007/s10648-013-9246-y
  12. Weng W et al.: The Transfer Effects of Cognitive Training on Working Memory Among Chinese Older Adults With Mild Cognitive Impairment: A Randomized Controlled Trial. Front Aging Neurosci. 2019 Aug 14;11:212. doi: 10.3389/fnagi.2019.00212. eCollection 2019.

     
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