Symptome – Beschwerden
Kopfschmerzen (Cephalgie)

Eine Cephalgie (Kopfschmerzen) kann in folgender Art und Weise auftreten:

  • Kurzzeitige vs. langanhaltende Schmerzen
  • Stechend vs. dumpf
  • Einseitig vs. beidseitig
  • Besserung vs. Verschlechterung durch Bewegung

Folgende Begleitsymptome können auftreten:

  • Allgemeines Krankheitsgefühl
  • Nackenschmerzen
  • Nausea (Übelkeit)/Erbrechen
  • Vertigo (Schwindel)
  • Sehstörungen
  • Photophobie (Lichtscheu)
  • Geräuschempfindlichkeit
  • Rote, tränende Augen (Augentränen)

Beachte: 

  • Suchen Sie aktiv nach Warnzeichen (SNOOP: s. u.; red flags; s. u.)
  • Sekundäre Kopfschmerzen, d  h. symptomatische Kopfschmerzen als Ausdruck einer anderen Erkrankung. sind bei fehlenden Red flags eher unwahrscheinlich.
    Beachte:  Symptomatische Kopfschmerzen sind mit etwa 8 % deutlich seltener als idiopathische Kopfschmerzen (= Kopfschmerzen, die selbst die Erkrankung darstellen) [2].

Kopfschmerz als Leitsymptom

Dringliche therapeutische Konsequenz Apoplektiformer Kopfschmerz Primärer Kopfschmerz
Arteriitis temporalis Benigner Anstrengungs- Kopfschmerz Benigner Anstrengungs- Kopfschmerz
Chronisches subdurales Hämatom Glaukom Clusterkopfschmerz
Glaukom Karotisdissektion  Migräne
Karotisdissektion Postkoitaler Kopfschmerz Postkoitaler Kopfschmerz
Meningitis Sinusvenenthrombose  Spannungskopfschmerz
Sinusvenenthrombose Subarachnoidalblutung  
Subarachnoidalblutung    
Tolosa-Hunt-Syndrom (Synonyme: Ophthalmoplegie, Ophthalmoplegia dolorosa): schmerzhafte Lähmung der Augenmuskulatur und eine Sonderform des sogenannten Sinus-cavernosus-Syndroms    

Beachte: In seltenen Fällen tritt Kopfschmerz als Leitsymptom u. a. bei folgenden Erkrankungen auf: Angiom, arterielle Hypertonie, Hydrocephalus, Liquorfistel, postfunktioneller Spätsyndrom, Pseudotumor cerebri.

Zerebrovaskuläre Ereignisse und deren Kopfschmerzprävalenz (Kopfschmerzhäufigkeiten)

Zerebrovaskuläres Ereignis  Kopfschmerz Kopfschmerzprävalenz 
Subarachnoidalblutung (SAB) akuter Vernichtungskopfschmerz (primäre Donnerschlagkopfschmerzen; engl. thunderclap headache)
  • 80-100 %
  • 33 % Kopfschmerz als alleiniges Symptom 
Intrakranielle Blutung (Hirnblutung)  Plötzliche und heftigste Kopfschmerzen (fast immer)
  • 21-100 % 
Transitorisch-ischämischer Attacke (TIA) Kopfschmerzen
  • 15-45 % 
  • 25 % Kopfschmerz als Hauptsymptom
Ischämischer Insult 
(ischämischer Apoplex/Schlaganfall)
Kopfschmerzen
  •  15-40 %
Sinusvenenthrombose (SVT)  Kopfschmerzen (Manifestation innerhalb der ersten drei Tage nach dem Ereignis)
  • 50-70 %
  • 15 % Kopfschmerz als alleiniges Symptom 

Differentialdiagnostik anhand des Beginns der Kopfschmerzsymptomatik

Beginn
Primäre Kopfschmerzen
Sekundäre Kopfschmerzen
Apoplektiform Idiopathischer Donnerschlagkopfschmerz
(max. Intensität in < 1 Minute; hält 1 Stunde bis 10 Tage an)
Subarachnoidalblutung
(SAB; Blutung zwischen der Spinnengewebshaut und der weichen Hirnhaut; Donnerschlagkopfschmerz: ca. 50 % der Fälle)
  (Idiopathischer) gutartiger stechender Kopfschmerz Dissektion (Aufspaltung der Wandschichten z. B. einer Arterie)
  Trigeminusneuralgie (plötzlich einschießender, reißender und brennender Schmerz)
Subakut
Kopfschmerz vom Spannungstyp Ischämischer Apoplex
  Migräneattacke Intrazerebrale Blutung (ICB; Gehirnblutung)
  Trigemino-autonome Kopfschmerzen:
Clusterkopfschmerz; paroxysmale Hemikranie (Kopfschmerzleiden, das durch streng einseitige Schmerzattacken charakterisiert ist); SUNCT-Syndrom (Short-lasting Unilateral Neuralgiform headache with Conjunctival injection and Tearing); Hemicrania continua (anhaltender, streng einseitiger Dauerkopfschmerz)
  • Akute Sinusitis (Nebenhöhlenentzündung)
  • Glaukom (Augenerkrankung mit erhöhtem Augeninnendruck)
  • Hypertensive Krise (Bluthochdruckkrise)
  • Ischämischer Apoplex
  • Meningitis (Hirnhautentzündung)
Chronisch
Chronische Migräne Riesenzellarteriitis (RZA; Arteriitis temporalis
  Chronischer Kopfschmerz vom Spannungstyp
  • Chronische Sinusitis
  • Chronische Subduralblutung (Bluterguss (Hämatom) unter (sub) der harten Hirnhaut zwischen Dura mater und Arachnoidea)
  • Sinusvenenthrombose (SVT) – Verschluss eines Hirnsinus (aus Duraduplikaturen hervorgehenden großen venösen Blutgefäße des Gehirns) durch einen Thrombus (Blutpfropf); klinisches Bild: Kopfschmerzen, Stauungspapillen und epileptische Anfälle
  • Tumor (meist zusätzliche neurologische Ausfälle)

Differentialdiagnostik anhand des Beginns der Kopfschmerzsymptomatik und der maximalen Schmerzstärke

Kopfschmerzbeginn/Schmerzstärke Erkrankungen Erkrankungen mit unauffälligem neurologischen Befund 
Perakut/stark
  • Subarachnoidalblutung
    (SAB; Donnerschlagkopfschmerz: ca. 50 % der Fälle); Auftreten: Sekunden bis maximal einer Minute
  • Hypophysenapoplexie
  • Intrazerebrale Blutung (ICB); situationsabhängige, Kopfschmerzen (Hustenkopfschmerz, Kopfschmerz bei sexueller Aktivität, Airplane Kopfschmerz); vor allem im Liegen und nachts auftretend
  • Epi- bzw. Subduralblutung; fokale Ausfälle
  • Gefäßdissektion (Dissektion); peitchenhiebartig; typischerweise einseitig
  • Reversibles zerebrales Vasokonstriktionsyndrom (RCVS); wie SAB Donnerschlagkopfschmerz
  • Kolloidzyste des  3. Ventrikels
Über Stunden/mittel
  • Meningitis (Hirnhautentzündung; s. u. Meningitis)
  • Sinusvenenthrombose (SVT) (SVT); langsamer Beginn mit stetiger Schmerzzunahme über Tage
  • Migräne
  • Arteriitis temporalis; Dauerkopfschmerz; meist unilateral (s. u. Arteriitis temporalis)
  • Liquorunterdruckkopfschmerz; im Stehen schlimmer als im Liegen
  • Sinusitis (Nebenhöhlenentzündung
Über Tage/mäßig
  • Idiopathische intrakranielle Hypertension (IIH; Synonym: Pseudotumor cerebri, PTC)
  • ZNS-Vaskulitis (Gefäßentzündung im zentralen Nervensystem)
  • Spannungskopfschmerz

Differentialdiagnostik anhand weiterer Symptome und Befunde

Symptome/'Befunde  Primäre Kopfschmerzen Sekundäre Kopfschmerzen
Auftreten
  • Seit Jahren bekannt   
  • Plötzlich (Akutereignis)/Vernichtungsschmerz/ Vernichtungskopfschmerz (z. B. Ischämie/Blutung)
  • Langsam (z. B. Malignom)
Dauer
  • Periodisch/episodisch
  • (selbst-)limitierte Attacken
  • Triggerfaktoren?
  •  Kontinuierlich (zunehmend
Anamnese
  • Leer
  • Prädisponierende Vorerkrankungen (z. B. kardiovaskuläre Erkrankungen (Herz- und Gefäßerkrankungen)/Risiken (Hypertonie/Bluthochdruck), Malignom (Krebserkrankung))
Körperlicher Untersuchungsbefund
  • Schwach oder milde ausgeprägte Krankheitsmerkmale
  • Auffällige Befunde
Neurologische Ausfälle
  • Selten
  • Häufig
Aura
  • Möglich
  • Nie
Krampfanfälle
  • Sehr selten
  • Häufig
Vitalparameter
  • Unauffällig/stabiler Patient
  • Auffällig/instabiler Patient (z. B. Hypoxie/Sauerstoffmangel, Hypertonie/Bluthochdruck)

Das SNOOP-Schema

Unter dem Akronym SNOOP hat die American Headache Society einfache Warnhinweise („worrisome headache red flags“) zusammengestellt, die auf eine ernste Erkrankung hindeuten können [1, 2]:

S: Systemische Symptome Fieber, Gewichtsverlust oder
sekundäre Risikofaktoren (HIV, systemische Krebserkrankung/B-Symptomatik*)
N: Neurologische Symptome oder abnorme Zeichen Bewusstlosigkeit, beeinträchtigte Wachsamkeit, Vigilanzstörung, Sprachstörung, fokale neurologische Defizite 
O "onset" (Einsetzen)  explosionsartiger Beginn mit Erreichen des Punctum maximum (p.m.) innerhalb von 1 Minute, Vernichtungsschmerz/ Donnerschlagkopfschmerz
O: "Older") (Alter) neues Ereignis und progressiver Kopfschmerz, vor allem im mittleren Alter > 50 Jahre (Riesenzellarteriitis); höheres Risiko für "echte" Hirnerkrankungen wie Apoplex (Schlaganfall)

P: Previous Headache History (vorherige Kopfschmerzanamnes)

erste Kopfschmerzen oder Änderung des Kopfschmerzmusters (Veränderung der Aattackenfrequenz, Schwere oder der klinischen Merkmale)

*B-Symptomatik

  • Unerklärliches, anhaltendes oder rezidivierendes Fieber (> 38 °C)
  • Nachtschweiß (nasse Haare, durchnässte Schlafbekleidung)
  • Ungewollter Gewichtsverlust (> 10 % Prozent des Körpergewichtes innerhalb von 6 Monaten)

Warnzeichen (red flags) für sekundäre Kopfschmerzen

  • Anamnestische Angaben:
    • Junge Frau +  Migräne mit Aura und hoher Attackenfrequenz + Rauchen + hormonelle Kontrazeption mit Östrogenen → denken an:  Apoplex 
    • Schwangerschaft (insbesondere im 3. Trimenon/Schwangerschaftsdrittel) → denken an: EPH-Gestose (drohende Eklampsie, d. h. schwerste Ausprägung einer Gestose, die einhergeht mit einem Krampfanfall oder einer tiefen Bewusstlosigkeit)
    • Lebensalter
      • < 3-5 Jahre → denken an: Makrozephalus (Kopfumfang > 97. Perzentile bezogen auf Alter und Geschlecht (bzw. > 2 SD))? Physiotherapie als Hinweis auf Entwicklungsverzögerungen?
      • < 10 Jahre + neu auftretender Kopfschmerz → denken an: symptomatische Ursachen
      • > 50 Jahre + neu auftretender Kopfschmerz; unabhängig von der Lokalisation → denken an: Riesenzellarteriitis (Arteriits temporalis)
      • > 50 Jahre + neu auftretender Kopfschmerz + Änderung oder ungewöhnliche Häufung vorbestehender primärer Kopfschmerzen* → denken an: symptomatische Ursachen
    • Tageszeit: regelmäßige nächtliche Kopfschmerzen  denken an: Hirntumor
    • Lokalisation: starke okzipitale Kopfschmerzen (zum Hinterhaupt gehörend)  denken an: Hirntumor
    • Dauer: unter 8 Wochen → denken an: Hirntumor
    • Infekt: Infekt-assoziierte Kopfschmerz (häufigster symptomatischer Kopfschmerz)
    • Neuauftretende Kopfschmerzen bei bekanntem Malignom (Tumorerkrankungen) oder HIV-Infektion
    • Akute erstmalige oder erstmalig in dieser Stärke aufgetretene Kopfschmerzen denken an: Hirntumor
    • Trauma: posttraumatische Kopfschmerzen
    • Wesensveränderungen → denken an: Hirntumor
    • Verstärkung durch Husten → denken an: Hirntumor
    • Morgendliches nüchtern Erbrechen → denken an: Hirntumor
    • Neu zunehmende Kopfschmerzen mit Nüchternerbrechen → denken an: erhöhtem Gehirndruck (auf weitere Zeichen eines Hirndrucks achten: z. B. Papillenödem (Schwellung (Ödem) an der Einmündung des Sehnervs in die Netzhaut, das sich als Vorwölbung des Sehnervenkopfes bemerkbar macht; Stauungspapille i. R. beidseitig)
    • Änderung eines lange vorbestehenden Kopfschmerzes
    • Nächtliches Erwachen wegen Kopfschmerzen
    • Medikamenten- bzw. Drogeneinnahme
  • Plötzlich einsetzender Kopfschmerz → denken an: Belastungskopfschmerz oder intrazerebarale Blutung (Hirnblutung)
  • Erhöhte Temperaturen → denken an: Meningitis (Hirnhautentzündung)/Meningoenzephalitis (kombinierte Entzündung des Gehirns (Enzephalitis) und der Hirnhäute (Meningitis))
  • Massiv erhöhter Blutdruck → denken an: hypertensive Krise
  • Allgemeinsymptome wie Gliederschmerzen, Gewichtsabnahme → denken an: Arteriitis temporalis
  • Perakuter Beginn (Vernichtungskopfschmerz, < 1 min.) – Ausschluss einer akuten neurologischen Erkrankung (z. B. Subarachnoidalblutung, SAB (Blutung zwischen der Spinnengewebshaut und der weichen Hirnhaut); posteriores reversibles Enzephalopathiesyndrom) erforderlich; weitere Differentialdiagnosen sind: 
    • Karotisdissektion – Aufspaltung von Intima und Media der A. carotis (Halsschlagader) durch eine Blutung
    • primär-zerebrale Angiitis
    • reversible zerebrale Vasokonstriktionssyndrom (RCVS): Erkrankung, die typischerweise Frauen mittleren Alters betrifft und im Zusammenhang mit der Einnahme adrenerger oder serotinerger Substanzen auftritt. Neben dem Vernichtungskopfschmerz treten in der zerebralen Angiographie (bildgebendes Verfahren zur Darstellung von Arterien und Venen unter Verwendung von Kontrastmittel) multiple und multilokuläre Vasospasmen (Gefäßspasmen) auf
  • Lang anhaltende, progrediente Kopfschmerzen → denken an: Arteriitis temporalis, Sinusvenenthrombose (SVT; Verschluss von Hirngefäßen durch einen Blutpfropf), Tumor
  • Wiederholtes Erbrechen
  • Progrediente (fortschreitende), therapieresistente Kopfschmerzen
  • Meningismus (schmerzhafte Nackensteifigkeit) → denken an: SAB
  • Neu aufgetretene Hals-/Nackenschmerzen/retroorbitale ("hinter der Augenhöhle") Schmerzen → denken an: Aortendissektion (Synonym: Aneurysma dissecans aortae) – akute Aufspaltung (Dissektion) der Wandschichten der Aorta (Hauptschlagader), mit einem Einriss der inneren Schicht der Gefäßwand (Intima) und einer Einblutung zwischen der Intima und der Muskelschicht der Gefäßwand (äußere Media), im Sinne eines Aneurysma dissecans (krankhafte Ausweitung der Schlagader)
  • Exanthem (Hautausschlag) → denken an: Coxsackie-Infektion, HIV, Rückfallfieber, Schlafkrankheit (Afrikanische Trypanosomiasis), Sindbis-Fieber, Syphilis, Trichinen, Vaskulitis, Virales hämorrhagisches Fieber
  • Neurologische Auffälligkeiten*: → denken an: EPH-Gestose (Eklampsie), intrazerebrale Blutung (ICB), Hirntumor, ischämischer Apoplex (Schlaganfall), Meningoenzephalitis, Sinusvenenthrombose (SVT), Subarachnoidalblutung (SAB), Subduralhämatom (SDH; Bluterguss (Hämatom) unter (sub) der harten Hirnhaut zwischen Dura mater und Arachnoidea)
    • epileptische Anfälle 
    • Bewusstseinsänderung
    • Neurologische Ausfälle:
      • Gangauffälligkeiten
      • Paresen (Lähmungen)
      • Sehstörungen (Doppelbilder!) → denken an: Apoplex (Schlaganfall) im Versorgungsgebiet der A. cerebri posterior, Arteriitis temporalis, Glaukom, reversible posteriore Leukenzephalopathie (PRES)
      • Sensibilitätsstörungen u. a.
  • Paralyse, Stauungspapille und der Symptomenkomplex aus Desorientiertheit, Gedächtnisverlust, Somnolenz und Bewusstlosigkeit
  • Unklare Gesichtsfeldeinschränkungen → denken an: Hirntumor

*Hinweise – ohne Markierung begleitender Allgemeinsymptome – für ein sekundäres Kopfschmerzsyndrom

Literatur

  1. Dodick DW: Clinical clues and clinical rules: primary vs. secondary headache. Adv Stud Med 2003; 3:S550–S555
  2. Rizos T et L:. Common disorders in the neurological emergency room-experience at a tertiary care hospital. Eur J Neurol 2011;18:430-5.
  3. American Headache Society (2016) Worrisome headache red flags – „SNOOP“. https://americanheadachesociety.org/wp-content/uploads/2016/07/Primary_or_Secondary_Headache.pdf 
     
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