Medikamentöse Therapie
Gliome

Therapieziele

  • Schmerzlinderung
  • Behandlung des Hirnödems (Hirnschwellung)

Therapieempfehlungen

  • Hirnödem: Dexamethason (Glucocorticoide), Mittel der ersten Wahl; zusätzlich kann Mannitol (Diuretikum/entwässerndes Arzneimittel) eingesetzt werden
    Alternativ: Phytotherapeutikum Boswelliensäuren (Weihrauchextrakt); ermöglicht bei einem Teil der Patienten eine Verminderung des peritumoralen Ödems von bis zu 40 % oder eine Dosisreduktion von Dexamethason
  • Analgesie ("Schmerzlinderung") gemäß WHO-Stufenschema (siehe unter "Chronische Schmerzen"):
    • Nicht-Opioidanalgetikum (Paracetamol, Mittel der ersten Wahl bei Kopfschmerzen; alternativ: Indometacin hat neben einem analgetischen Effekt auch eine Wirkung auf den Hirndruck [3])
    • Niederpotentes Opioidanalgetikum (z. B. Tramadol) + Nicht-Opioidanalgetikum
    • Hochpotentes Opioidanalgetikum (z. B. Morphin) + Nicht-Opioidanalgetikum
  • Thromboseprophylaxe wg. Beinvenenthrombosen- und Lungenembolierisiko bei Patienten mit malignen Gliomen

Pharmakotherapie in der Neuroonkologie

Indikationen  Wirkstoffe  Applikationsmodus Wirkmechanismus
Gliome           Nitrosoharnstoffe (Alkylanzien)   DNA-Alkylierung
Temozolomid (TMZ; Standardtherapeutikum)

auch in der Kombination aus Procarbazin, Lomustin (CCNU) und Vincristin (sogenanntes PCV-Schema)
p.o. DNA-Methylierung
Procarbazin p.o. DNA-Methylierung
Topotecan, Irinotecan i.v. Topoisomerase-I-Hemmung
Etoposid p.o., i.v. Topoisomerase-II-Hemmung
Vincristin i.v. Mitosehemmung
Imatinib, Gefitinib, Erlotinib; Lapatinib u. a. p.o. Hemmung der Signaltransduktion über Tyrosinkinaserezeptoren

Sirolimus (Rapamycin) (oral)/Temsirolimus (i.v.)

Everolimus

p.o./i.v.

p.o.

mTOR-Hemmung
Vemurafenib, Dabrafenib p.o. BRAF-Inhibition (bei Vorliegen einer V600E-Mutation)
Ipilimumab (experimentell) i.v. CTLA-4-Inhibition
Nivolumab, Pembrolizumab (experimentell) i.v. PD-1-Inhibition
Glioblastome Rindopepimut (experimentell) Intradermal EGFRvIII-Vakzine
Hirnmetastasen    Imatinib, Gefitinib, Erlotinib; Lapatinib u. a. p.o. Hemmung der Signaltransduktion über Tyrosinkinaserezeptoren
Vemurafenib, Dabrafenib p.o. BRAF-Inhibition (bei Vorliegen einer V600E-Mutation)
Sorafenib, Sunitinib u. a. (experimentell) p.o. Hemmung der Signaltransduktion (verschiedene Rezeptortyrosinkinasen)
Ipilimumab i.v. CTLA-4-Inhibition
Nivolumab, Pembrolizumab i.v. PD-1-Inhibition
Medulloblastome Vincristin i.v. Mitosehemmung
Medulloblastome vom SHH-Typ Vismodegib p.o. SMO-Hemmung
Metastasen Topotecan, Irinotecan i.v. Topoisomerase-I-Hemmung
Subependymale Riesenzellastrozytome

Rapamycin (oral)/Temsirolimus (i.v.)

Everolimus

p.o./i.v.

p.o.

mTOR-Hemmung

Legende

  • BRAF = "v-raf murine sarcoma viral oncogene homolog B2"
  • CTLA-4 = "cytotoxic T lymphocyte-associated protein 4"
  • EGFRRezeptor des epidermalen Wachstumsfaktors
  • mTOR = "mechanistic target of rapamycin"
  • PD-1 = "programmed cell death protein 1"
  • SHH = "sonic hedgehog"
  • SMO = "smoothened receptor"
  • VEGF = "vascular endothelial growth factor"

Weitere Hinweise

  • Niedriggradige Gliome (5-10 % aller Hirntumoren): Deutliche Verlängerung der Gesamtüberlebenszeit von Patienten mit zusätzlicher Chemotherapie (PCV-Chemotherapie), die nach der Operation bereits eine Radiotherapie erhalten haben. Ohne Chemotherapie kam es nach durchschnittlich 4,0 Jahren zum erneuten Tumorwachstum, bei Patienten mit Chemotherapie war dies erst nach 10,4 Jahren der Fall: Patienten mit alleiniger Radiotherapie überlebten 7,8 Jahre und mit zusätzlicher Chemotherapie 13,3 Jahre [4].
  • Glioblastome
    • Eine CAR-T-Zelltherapie* (T-Zellen des Patienten werden außerhalb des Körpers "umprogrammiert" indem diesen das Gen für das CAR-Molekül "eingepflanzt" wird) hat bei einem Patienten mit rezidiviertem und multifokalem Glioblastom seit 298 Tagen eine Remission bewirkt [5].
    • Bei Patienten mit einem Glioblastom hat ein dendritischer Impfstoff, der die Aufmerksamkeit des Immunsystems auf die Zellen eines Glioblastoms lenken soll, in einer Phase-3-Studie erstaunlich lange Überlebenszeiten erzielt. Dazu wurden dem jeweiligen Patienten Monozyten (gehören zu den Leukozyten/weiße Blutkörperchen) aus dem Blut entnommen und im Labor zu dentritischen Zellen entwickelt. 
      Vor der Immuntherapie
       war zuvor der Tumor chirurgisch entfernt worden und alle hatten danach eine heute übliche Kombination aus Strahlen- und Chemotherapie erhalten. Danach erfolgte in einer Doppelblindstudie die Immuntherapie. Bei den "Top 100"-Patienten (30 % der Gruppe) liegt zum Zeitpunkt der Publikation die mediane Überlebenszeit bei 40,5 Monaten. Das ist deutlich länger als bei der bisherigen Standardtherapie mit Temozolomid (TMZ) alleine [6].
  • Patienten mit Medulloblastomen mit charakteristischen Veränderungen in der Anzahl der Chromosomen in den Tumorzellen (Chromosom 7 – häufig dreifach vorliegend; Chromosomen 8 und 11 – einfach vorliegend; ca. 20 % der Fälle) lassen sich mit der Standardtherapie zu fast 100 % heilen [7].

*CAR-T-Zelltherapie ("chimäre Antigenrezeptor-T-Zellen"): Patienteneigene T-Zellen werden außerhalb des Körpers (ex vivo) auf genetischer Ebene mit chimären Antigenrezeptoren („chimeric antigen receptor“, CAR) ausgestattet und so spezifisch auf den Krebs ausgerichtet. Anschließend werden diese Zellen in den Körper reinfundiert. Sie binden sich dann an die entsprechenden Tumormerkmale auf den Lymphomzellen und führen zu einer anhaltenden Immunreaktion durch Freisetzung von Chemokinen, Zytokinen und lytische Molekülen.

Nebenwirkungen: Durch die Freisetzung der zuvor genannten körpereigenen Botenstoffe (Zytokinsturm) kann es zu hohem Fieber und lebensbedrohlichen Organschäden kommen; weitere mögliche Nebenwirkung sind Tumorlysesyndrom (TLS; lebensbedrohende Stoffwechselentgleisung, die bei der plötzlichen Zerstörung einer größeren Anzahl von Tumorzellen auftreten kann) und Neurotoxizität (Eigenschaft einer Substanz, schädigend auf Nervengewebe zu wirken).

Literatur

  1. Böker DK, Winking M: Die Rolle von Boswellia-Säuren in der Therapie maligner Gliome. Dtsch Arztebl 1997; 94(18): A1197-9
  2. Streffer JR, Bitzer M, Schabet M, Dichgans J, Weller M: Response of radiochemotherapy-associated cerebral edema to a phytotherapeutic agent, H15. Neurology 2001; 56(9): 1219-21
  3. Roberts RG, Redman JW: Indomethacin-a review of its role in the management of traumatic brain injury. Crit Care Resusc. 2002;4(4):271-80.
  4. Buckner JC et al.: Radiation plus Procarbazine, CCNU, and Vincristine in Low-Grade Glioma. N Engl J Med 2016; 374:1344-1355April 7, 2016, doi: 10.1056/NEJMoa1500925
  5. Brown CE et al.: Regression of Glioblastoma after Chimeric Antigen Receptor T-Cell Therapy. N Engl J Med 2016; 375:2561-2569 December 29, 2016 doi: 10.1056/NEJMoa1610497
  6. Liau LM et al.: First results on survival from a large Phase 3 clinical trial of an autologous dendritic cell vaccine in newly diagnosed glioblastoma. Journal of Translational Medicine 2018;16:142 https://doi.org/10.1186/s12967-018-1507-6
  7. Goschzik T et al.: Prognostic effect of whole chromosomal aberration signatures in standard-risk, non-WNT/non-SHH medulloblastoma: a retrospective, molecular analysis of the HIT-SIOP PNET 4 trial Lancet Oncology Published:November 01, 2018 doi:https://doi.org/10.1016/S1470-2045(18)30532-1

Leitlinien

  1. S2k-Leitlinie: Gliome. (AWMF-Registernummer: 030 - 099), März 2014 Langfassung

     
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